Leitsatz (amtlich)
1. Das Umkippen eines Lkw auf einer Müllkippe stellt grundsätzlich einen in der Vollkaskoversicherung (versicherten) Unfall dar, weil das Umkippen über das normale, mit den Unebenheiten eines Deponiegeländes verbundene Betriebsrisiko hinausgeht, mag es letztlich auch auf einen Bedienungsfehler beim Abkippen zurückzuführen sein.
2. Ist somit das Umkippen des Lkw als Unfall zu qualifizieren, so sind alle hieraus resultierenden Schäden zu ersetzen, sofern kein spezieller Ausschluss eingreift.
3. Das gilt auch für die Beschädigung des Motors (des umgekippten Lkw), wenn dieser infolge der durch das Umkippen verursachten Seitenlage nicht mehr ausreichend mit Schmieröl versorgt wurde und deshalb heiß gelaufen ist.
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 06.08.2003; Aktenzeichen 1 O 222/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Mühlhausen vom 6.8.2003 - 1 O 222/03 - teilweise abgeändert. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 8.032,30 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten der 1. Instanz entfallen auf den Kläger 15 %, auf die Beklagte 85 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert der Berufung beträgt 8.108,33 Euro.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig und ganz überwiegend auch begründet.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Versicherungsschutz für einen Motorschaden eines bei ihr vollkaskoversicherten Lkw zu gewähren. Der Schaden ist darauf zurückzuführen, dass der Motor des Lkw infolge eines Unfalls durch seitliches Umkippen auf einer Müllkippe aufgrund von Schmierölmangel heiß gelaufen ist. Unstreitig lief der Motor nach dem Umkippen des Lkw noch mindestens 30 Sekunden. Das LG hat - nach Teilrücknahme der Klage von 11.218,10 Euro auf 8.108,38 Euro (s. Klägerschriftsatz vom 30.5.2003) - die Klage abgewiesen und ausgeführt, hier liege ein nicht versicherter Betriebsschaden i.S.v. § 12 Nr. 1 II e) AKB vor. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Mühlhausen vom 6.8.2003 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.108,38 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Der Senat teilt die Auffassung des LG nicht.
Entscheidend für den vorliegenden Rechtsstreit ist die Abgrenzung zwischen einem (versicherten) Unfallschaden und einem (nicht versicherten) Betriebsschaden. Ausgangspunkt hierfür ist zunächst die Definition des Unfallbegriffs in § 12 Nr. 1 II e) AKB, nämlich ein "unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis". Allein die Schadensursache muss von außen kommen, dagegen kann der Schaden selbst auf eine innere Betriebsstörung zurückzuführen sein (so schon BGH VersR 1954, 113; vgl. weiter Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., 1998, § 12 AKB Rz. 46, m.w.N.). Ebenso wie das Auffahren auf ein Hindernis (dazu BGH v. 5.2.1981 - IVa ZR 58/80, MDR 1981, 827 = VersR 1981, 450) ist auch das Umkippen eines Kfz als Unfall zu qualifizieren (OLG Hamm VersR 1976, 626; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., 1998, § 12 AKB Rz. 51). Dies gilt entgegen der Entscheidung des OLG Köln vom 24.9.1996 (OLG Köln v. 24.9.1996 - 3 U 15/96, ZfS 1997, 305) auch dann, wenn das umgekippte Kfz zu Arbeiten auf einem Tagebaugelände (so im dortigen Sachverhalt) oder (wie hier) auf einem Deponiegelände eingesetzt wird. Denn das Umkippen eines Lkw geht über das normale, mit den Unebenheiten eines Baustellen- oder Deponiegeländes verbundene Betriebsrisiko hinaus; das spezielle Risiko des Umkippens ist - mag es letztlich auch auf das Nachgeben des Bodens oder einen Bedienungsfehler beim Abkippen zurückzuführen sein - von anderer Qualität als die Betriebsschäden, die nach der Verkehrsanschauung und vom Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers durch die Einschränkung des § 12 Nr. 1 II e) Hs. 2 AKB vom Schutz der Kfz-Kaskoversicherung ausgeschlossen sein sollen, wie etwa das Einsinken eines Lkws auf der Baustelle (dazu BGH VersR 1971, 1076 sowie OLG Karlsruhe VersR 1994, 1222). Für diese Auslegung spricht insb. auch, dass der Begriff des Betriebsschadens in einer Reihe mit Brems- und Bruchschäden genannt und dadurch der Eindruck erweckt wird, dass allein Schäden aus dem "normalen" Betrieb vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind. Der Senat folgt insoweit ausdrücklich der Rechtsprechung des BGH, der in seiner Entscheidung vom 5.11.1997 (BGH v. 5.11.1997 - IV ZR 1/97, MDR 1998, 213 = VersR 1998, 179 [180]; ebenso bereits OLG Nürnberg v. 28.11.1996 - 8 U 2337/96, VersR 1997, 1480 als Vorinstanz; vgl. weiter OLG Karlsruhe v. 4.12.1986 - 12 U 202/86, VersR 1988, 371 [umgestürzter Traktor]) das Vorliegen eines Betriebsschadens ...