Entscheidungsstichwort (Thema)
Späterer Einsatzzeitpunkt bei Nachscheidungs-Aufstockungsunterhalt; kein Vorwegabzug des Kindesunterhalts. Nachehelicher Unterhalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Anspruch auf Nachscheidungsaufstockungsunterhalt steht nicht entgegen, dass er erst ab einem späteren Einsatzzeitpunkt beginnt.
Es muss rückblickend festgestellt werden, dass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt bereits eine Bedarfslücke zum vollen eheangemessenen Bedarf bestand.
2. Ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts hat zu unterbleiben, wenn dadurch der Anspruch auf Ehegattenunterhalt erst ausgelöst oder erhöht wird.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1577 Abs. 1, § 1755 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Mühlhausen (Urteil vom 08.07.2003; Aktenzeichen 1 F 615/02) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG - FamG - Mühlhausen vom 8.7.2003 (Az. 1 F 615/02) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Das AG Mühlhausen hat die am 15.9.1990 geschlossene Ehe der Parteien durch Urteil vom 13.4.2000 rechtskräftig geschieden (Az. 5 F 429/99).
Die Parteien haben in einem weiteren Verfahren über Trennungsunterhalt gestritten (Az. 5 F 488/98). Das Verfahren wurde am 8.4.1999 einvernehmlich unter Kostenaufhebung beendet.
Der Kläger nimmt die Beklagte im vorliegenden Verfahren auf nachehelichen Unterhalt beginnend ab dem 1.9.2002 in Anspruch.
Anstelle des Tatbestands wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (Bl. 72 ff. d.A.), wegen der Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.5.2003 (Bl. 63 ff. d.A.), § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das AG hat der Klage im Rahmen der Antragstellung stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die schriftlichen Entscheidungsgründe verwiesen (Bl. 72 ff. d.A.).
Die Beklagte greift die Verurteilung I. Instanz mit der Berufung an.
Sie führt an, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt nicht zu. Der Kläger habe am 7.4.1999 mit ihr im Rahmen des Scheidungsverfahrens eine handschriftliche Vereinbarung geschlossen, dass er in jeder Hinsicht auf den Erhalt von Trennungsunterhalt verzichte. Im Gerichtstermin am 8.4.1999 habe er seinen Anspruch auf Trennungsunterhalt für erledigt erklärt. Im Scheidungsverfahren habe der Kläger keinen Antrag auf nachehelichen Unterhalt gestellt. Auch die nachfolgenden Vereinbarungen der Parteien befassten sich nicht ansatzweise mit Nachscheidungsunterhalt.
Die Parteien hätten sich im laufenden Scheidungsverfahren am 19.12.1999 geeinigt, dass der Kläger ab dem 1.1.2000 an die gemeinsame Tochter einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 280 DM zahle. Nach der rechtskräftigen Ehescheidung vom 13.4.2000 sei es zu einer weiteren Vereinbarung der Parteien am 30.4.2001 gekommen, die aber nur eine Festlegung zur Aufstockung des Kindesunterhalts zum Gegenstand gehabt habe. Nachdem sie den Kläger mit Schreiben vom 15.8.2002 aufgefordert habe, einen höheren Kindesunterhalt zu zahlen, habe dieser sie auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch genommen.
Sie wäre monatliche Zahlungsverpflichtungen i.H.v. 624,78 Euro für den Hausbau nicht eingegangen, wenn sie gewusst hätte, dass der Kläger sie auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch nähme.
Nach der Ehescheidung seien bis zur Geltendmachung des Unterhalts mehr als 2,5 Jahre vergangen. Teilweise werde in der Rechtsprechung ein zeitlicher Zusammenhang mit der Ehescheidung schon nach 1,5 Jahren verneint.
Von ihrem verbleibenden Einkommen i.H.v. 1.391,55 Euro verblieben nach Abzug der Kreditverbindlichkeiten nur 766,67 Euro, so dass sie nicht leistungsfähig sei.
Der Unterhaltsanspruch sei auch infolge Zeitablaufs verwirkt (§ 242 BGB).
Sie beantragt, das am 8.7.2003 verkündete Urteil des AG Mühlhausen, Az. 1 F 615/02, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil I. Instanz. Das AG Mühlhausen habe ihm zu Recht Aufstockungsunterhalt zugesprochen. Der Einwand der Verwirkung könne nicht mit Erfolg geführt werden. Die Beklagte habe abweichend von der Vereinbarung im August 2002 den Regelunterhalt verlangt. Zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung habe ihm bereits ein Anspruch auf Aufstockung zugestanden. Diesen habe er lediglich mit Rücksicht auf die Reduzierung des Kindesunterhalts auf 280 DM nicht geltend gemacht.
Ein zeitlicher Zusammenhang zu der Ehescheidung sei auch nach 2,5 Jahren gegeben. Er habe auf den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht verzichtet. Auch seien die Kreditverbindlichkeiten nicht relevant, da sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hätten.
II. Die Berufung ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung führt nicht zum Erfolg, weil das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden hat. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem AG davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt i.H.v. monatlich 100 Euro ab dem 1.9.2002 zusteht.
Gemäß § 1569 ZPO hat ein Ehegatte...