Leitsatz (amtlich)

1. Behandlung einer Kläger-Aufrechnung im Rahmen der der Inanspruchnahme wegen gezahlten Unterhaltsvorschusses mit Steuererstattungsansprüchen des Unterhaltsschuldners.

2. Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten.

Ist die Forderung des Beklagten aus Steuererstattung unstreitig und bedarf nicht der Klärung in einem "fremden" Rechtsweg und macht der Beklagte nur geltend, dass ein Unterhaltsanspruch dem Grunde und der Höhe nach nicht besteht, so fällt die Prüfung der Widerklage auf Auszahlung der Steuererstattung in die Sachkompetenz des FamG.

 

Normenkette

ZPO § 145 Abs. 2, § 322 Abs. 2; GVG § 17 Abs. 2; AO § 226 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Gera (Aktenzeichen 3 F 90/07)

 

Tenor

I.1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

I. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Kosten der I. Instanz tragen der Kläger zu 84 % und der Beklagte zu 16 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Freistaat Thüringen hat den Beklagten im vereinfachten Verfahren mit dem am 17.5.2006 eingereichten und am 12.7.2006 zugestellten Antrag auf Festsetzung von Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages ab dem 1.7.2005 der 2. Altersstufe, derzeit gezahlte 1661 EUR, in Anspruch genommen.

Der Beklagte ist der Vater des Kindes S. M., geboren am 5.1.1998, das bei der Kindesmutter lebt. Der Beklagte hat die Vaterschaft anerkannt (Urkunde vom 3.9.1998).

Für das Kind wurden in dem Zeitraum 1.7.2005 bis 31.12.2006 (18 × 151 EUR =) 2718 EUR zzgl. Zinsen 1.7.2006 bis 18.12.2006 70,44 EUR, insgesamt 2788,44 EUR gezahlt.

Die Rechtswahrungsanzeige wurde dem Beklagten am 10.8.2005 zugestellt Der Beklagte wurde zur Überprüfung des Unterhaltsanspruches zur Auskunftserteilung bis zum 26.8.2005 aufgefordert.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 5.9.2005 und 3.5.2006 ggü. dem Finanzamt Gera die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO mit möglichen Steuererstattungsansprüchen des Beklagten in Höhe des gezahlten Unterhaltsvorschusses erklärt. Das Finanzamt Gera hat 1510 EUR und 323 EUR an den Kläger aus der Steuerrückerstattung 2004 im Wege der Aufrechnung gezahlt.

Gegen diesen Antrag auf Festsetzung wurde vom Rechtsbeistand des Beklagten Widerspruch eingelegt. Die Behörde hat mitgeteilt, dass der Widerspruch unzulässig sei.

Der Beklagte hat in dem Vordruck Einwendungen angegeben: Fernmeldemonteur, Techniker, seit 05/00 erwerbslos, Kündigung durch Arbeitgeber.

Der Kläger hat vorgetragen, der auf die Rückstände gerichtete Klageantrag werde auf die volle Höhe des Auszahlungsbetrages gerichtet, obwohl bereits zwischenzeitlich zwei Mal auf der Grundlage eines Auskunftsersuchens an das Land Thüringen (Finanzamt ...) Zahlungen in einer Gesamthöhe von 1833 EUR aus Steuererstattungen erfolgt seien. Der Gesamttitel über die Rückstände werde deshalb erstrebt, weil nicht bekannt sei, inwieweit der Beklagte gegen die Aufrechnungserklärung des Finanzamtes vorgegangen sei. Regelmäßig werde bei einem Einspruch gegen die Aufrechnung und dem darauf folgenden Klageverfahren vor den FG nach dem nachweislichen Anspruch gefragt, gegen den aufgerechnet werde. Um diesen Nachweis bei Bedarf zu erbringen, werde die Titulierung des Gesamtrückstandes samt Zinsen begehrt. Es werde zugesichert, dass dem Schuldner - selbstverständlich - bereits erfolgte Zahlungen auf den Rückstand bei den Restforderungen zugute gehalten werden können.

Bei dem Klageantrag zu 2) werde der Zeitraum ab dem 1.1.2007 bis dato nicht einbezogen, weil eben gerade in dieser Zeit kein neuerlicher Antrag auf Unterhaltsvorschuss gestellt worden sei und auch nicht mehr gestellt werden könne. Insoweit sei in dieser Zeit kein Anspruch auf das Land Thüringen übergegangen, den es zu sichern gelte.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn

I. für die Zeit vom 1.7.2005 bis 31.12.2006 einen verauslagten Unterhaltsvorschussbetrag i.H.v. 2718 EUR zzgl. 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 1.7.2005 zu zahlen,

II. zukünftig für die Dauer eventuell wiedereinsetzender Unterhaltsvorschusszahlungen Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe abzgl. des vollen staatlichen Kindergeldes bis maximal zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Kindes Shirin Müller bzw. längstens für 72 Monate (UVG-Gesamtbezugsdauer) zu zahlen.

Der Kläger hat im Termin vom 19.5.2008 den Antrag zu Ziff. 2) für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat der Erledigungserklärung zugestimmt und beantragt, im Übrigen,

I. die Klage abzuweisen,

II. im Wege der Widerklage, den Kläger zu verurteilen, an ihn 1833 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten aus einem Betrag i.H.v. 1510 EUR seit dem 25.4.2006 und aus weiteren 323 EUR seit dem 9.4.2008 zu zahlen.

Er hat vorgetragen, er habe vom 1.10.2004 bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe i.H.v. monatlich 880,20 EUR und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II vom 01.01. bis 31.05. und vom 01.07. bis 30.11.2005 i.H.v. monatlich 607,29 EUR bez...

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