Normenkette
BGB § 847
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Urteil vom 27.11.2001; Aktenzeichen 5 O 470/01) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mühlhausen vom 27.11.2001 – 5 O 470/01 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 543 Abs. 1 ZPO a.F., 26 Nr. 5 EGZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist zwar zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 511, 511a, 516, 518, 519 ZPO a.F., § 26 Nr. 5 EGZPO).
Sie ist aber in der Sache unbegründet.
Denn der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus pVV des Anwaltsvertrages.
Der Beklagte hat seine Anwaltspflichten nicht dadurch verletzt, dass er im Vorprozess keine Schmerzensgeldansprüche eingeklagt hat.
Denn der Kläger hätte aufgrund des Unfalltodes seiner Tochter kein Schmerzensgeld als Hinterbliebener von dem Unfallverursacher verlangen können (§§ 823, 847 BGB).
a) Das Kind selbst hatte keinen Schmerzensgeldanspruch, der auf den Kläger im Wege der Erbfolge übergegangen sein könnte. Denn es ist durch den Unfall noch an der Unfallstelle sofort verstorben (Erman/Schiemann, BGB, 10. Aufl. 2000, § 847 Rz. 8 a.E. unter Hinweis auf BGH v. 12.5.1998 – VI ZR 182/97, MDR 1998, 1029 = NJW 1998, 2741; Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 847 Rz. 4 a.E., m.w.N.).
Nach dem deutschen Recht gibt es ein Schmerzensgeld nicht für den Tod (BGH v. 12.5.1998 – VI ZR 182/97, MDR 1998, 1029 = NJW 1998, 2741), sondern nur für den Leidensweg. Ein Leidensweg ist aber bei einem sofortigen Versterben nicht gegeben.
Diese Rechtsauffassung hat in der Rechtsliteratur Zustimmung gefunden und entspricht auch der st. Rspr. des BGH, der sich der erkennende Senat anschließt.
An dieser Rechtslage hat der deutsche Gesetzgeber auch durch das am 1.8.2002 in Kraft getretene Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz nichts geändert.
b) Das deutsche Recht sieht darüber hinaus – im Gegensatz zum Recht anderer europäischer Staaten – auch keinen Schmerzensgeldanspruch für Hinterbliebene wegen des seelischen Schmerzes vor – wenn auch ein solcher Anspruch in der Rechtsliteratur vielfach für wünschenswert gehalten wird (Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rz. 38 m.w.N.; Stein in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1997, § 847 Rz. 16 m.w.N.; Wagner, Das neue Schadensersatzrecht, 1. Aufl. 2002, Rz. 28 Fn. 65; Scheffen/Pardey, Schadensersatz bei Unfällen mit Kindern und Jugendlichen, München 1995, Rz. 625 m.w.N.).
Die Rspr. schließt diese Lücke in ganz bestimmten Ausnahmefällen mithilfe der Konstruktion des sog. Schockschadens, den es als Gesundheitsverletzung ansieht (Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, 4. Aufl., 2002, Rz. 483). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor (dazu unten c).
Vereinzelt wird in der Rechtsliteratur auch vorgeschlagen, die durch den Tod eines nahen Angehörigen entzogene Lebensfreude als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen (Kadner, ZEuP 1996, 135 ff. [149 ff.]). Dieser Vorschlag scheidet aber nach ganz herrschender Meinung aus, weil insoweit eine bewusste Regelungslücke des Gesetzgebers vorliegt, die der Richter nicht schließen darf sondern nur der Gesetzgeber (Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl. 1986, § 847 Rz. 38; Stein in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., 1997, § 847 Rz. 16). Auch das am 1.8.2002 in Kraft getretene Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz hat einen solchen Schmerzensgeldanspruch nicht geschaffen (Wagner, Das neue Schadensersatzrecht, 1. Aufl. 2002, Rz. 28).
Da es im vorliegenden Fall nicht um eine Frage der Auslegung des Rechts der Europäischen Union geht, sondern um eine Frage der Auslegung des deutschen Rechts, scheidet eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG-Vertrag aus.
Auch gibt es bisher keine Vorschriften der Europäischen Union zur Harmonisierung des Schmerzensgeldrechts für Hinterbliebene, so dass auch ein Verstoß gegen solche Vorschriften nicht ersichtlich ist.
Eine europäische Verfassung, gegen die diese Auslegung verstoßen könnte, gibt es bisher ebenfalls nicht.
c) Ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers wegen eines sog. Schockschadens (auch: Fernwirkungsschaden) scheidet ebenfalls aus (hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, Vorb. § 249 Rz. 71).
Denn dieser Anspruch setzt – wie das LG zutreffend ausgeführt hat – eine psychopathologische Gesundheitsbeschädigung voraus, die deutlich über das hinausgeht, was Nahestehende in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden (Wussow/Kürschner, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl. 2002, Kap. 54 Rz. 10 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, Vorb. § 249 Rz. 71). Dass Beeinträchtigungen schwer sind und auch medizinisch feststellbar sind, z.B. schwere Depressionen, reicht nicht aus (OLG Karlsruhe v. 13.3.1998 – 10 U 239/97, OLGReport Karlsruhe 1998, 258 [LS]; Geigel/Kolb, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl. 2001, Kap. 7 Rz. 3 m.w.N.).
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