Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 11.12.2020; Aktenzeichen 10 O 1384/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11.12.2020, Az. 10 O 1384/17, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Erfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten immateriellen und materiellen Schadensersatz sowie Feststellung der Einstandspflicht für alle zukünftigen Schäden aufgrund einer behauptet fehlerhaften ärztlichen Behandlung im Zeitraum vom 18. November 2013 bis 24. Februar 2014.

Der am XXX geborene, zum Zeitpunkt der Behandlung 6 Jahre alte Kläger klagte über wiederkehrende Knie- und Hüftgelenksschmerzen rechts, weshalb ihn seine Eltern am 02.11.2013 in der orthopädischen Praxis Dr. W. vorstellten. Herr Dr. W. stellte eine eingeschränkte Drehfähigkeit der rechten Hüfte fest und veranlasste eine Röntgenuntersuchung beider Hüftgelenke. In deren Auswertung konnte er eine knöcherne Auffälligkeit nicht erkennen. Eine Ultraschalluntersuchung bestätigte einen geringen Erguss im rechten Hüftgelenk. Herr Dr. W. vermutete im Ergebnis einen "Hüftschnupfen" (Coxitis fugax) und verordnete einen Entzündungshemmer (Iboprofensaft). Weiterhin vereinbarte er mit den Eltern des Klägers eine Verlaufskontrolle.

Am 08.11.2013 suchte der Kläger erneut Herrn Dr. W. auf. Dieser stellte keine Rotationseinschränkung mehr fest und beschrieb die Flüssigkeitsansammlung im rechten Hüftgelenk als rückläufig.

Aufgrund zunehmender Beschwerden stellte die Kinderärztin des Klägers am 14.11.2013 eine Überweisung in die Kinderklinik der Beklagten zur weiteren Abklärung aus.

Dort stellte sich der Kläger am 18.11.2013 vor. Die ärztlichen Behandler der Beklagten konstatierten mit Blick auf die von Herrn Dr. W. angefertigten Röntgenbildern eine geringe Ergussbildung der rechten Hüfte. Die sonografische Untersuchung ergab unauffällige Verhältnisse in beiden Kniegelenken und im linken Hüftgelenk. Rechtsseitig fand "sich eine ergussbedingte Dehiszenz der Gelenkkapsel um ca. 5 - 6 mm, wobei eine sehr reflexreiche Synovia auf eine eventuell länger bestehende Entzündung hindeutete" (sonografischer Befund vom 18.11.2013, Krankenunterlagen). Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein leichter Bewegungsschmerz.

Der Chefarzt der Kinderklinik, Herr Prof. Dr. S., leitete eine antiphlogitische Therapie mit Naproxen ein. (Arztbrief vom 16.12.2013, Krankenunterlagen).

Da in der Folge keine Besserung eintrat, wurde der Kläger am 13.12.2013 zur Erweiterung der Diagnostik und Therapie stationär im Klinikum der Beklagten (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin) aufgenommen. Nach Labordiagnostik, Borrelien-Serologie und Rheumadiagnostik diagnostizierten die ärztlichen Behandler der Beklagten eine juvenile idiopathische Arthritis, Oligoarthritis, Hüftgelenksarthritis rechts und verordneten eine Methylprednisolon-Puls-Therapie vom 13.12. - 15.12.2013 unter Pantozol Magenschutz sowie die Fortführung der antiphlogistischen Therapie mit Naproxen (Arztbrief vom 16.12.2013, Krankenunterlagen).

In den Zeiträumen vom 10.01. - 13.01.2014 und vom 07.02.2014 - 09.02.2014 wurde die Methylprednisolon-Puls-Therapie, jeweils unter stationärer Aufnahme des Klägers, wiederholt (Arztbriefe vom 13.01.2013, 09.02.2014, 24.02.2014 und 27.02.2014, Krankenunterlagen).

Eine MRT des Beckens vom 13.02.2014 zeigte eine Wachstums- bzw. Versorgungsstörung des Hüftkopfes an dem betroffenen Gelenk. Es ergab sich ein Hüftgelenkserguss, eine betonte Gelenksflüssigkeit sowie eine hypointense und deformierte Hüftkopfepiphyse. Die Behandler stellten hierauf die Diagnose eines Morbus Perthes (Arztbrief vom 24.22.2014, Krankenunterlagen) und nahmen den Kläger ab dem 17.02.2014 bis zum 24.02.2014 wieder stationär in der Kinderklinik der Beklagten auf.

In der Folge waren, beginnend am 28.05.2014, diverse Operationen am Hüftkopf und Rehabilitationen sowie weitere Behandlungen des Klägers zur Behandlung des Morbus Perthes erforderlich, deren Durchführung nicht mehr im Hause der Beklagten erfolgte.

Ein vorgerichtlich eingeholtes MDK-Gutachten erstattete der Sachverständige Dr. H. unter dem 14.03.2017 (Bd. I, Bl. 32 ff.).

Der Kläger hat erstinstanzlich, gestützt auf ein Privatgutachten des Sachverständigen Dr. W. (Bd. I, Bl. 153 ff.), behauptet, die Ärzte der Beklagten hätten behandlungsfehlerhaft die nach dem Facharztstandard gebotenen Befunde nicht rechtzeitig erhoben, um differentialdiagnostisch die Erkrankung des Morbus Perthes auszuschließen. So sei bereits vor dem Beginn d...

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