rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Amt. Amtsantrittshindernis. Ausschluss. Beamter. Bürgermeister. ehrenamtlich. Ermächtigung. Gemeinde. hauptamtlich. Hindernis. Ineligibilität. Inkompatibilität. Interessenskonflikt. Mandat. Personalunion. Verfassung. Vertretung. Verwaltung. Verwaltungsgemeinschaft. Vorsitzender. Wahl. Wählbarkeit. Kommunalwahlrecht. Berufung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ehrenamtlicher Bürgermeister einer Gemeinde verliert von Gesetzes wegen sein Ehrenamt, wenn er zugleich (hauptamtlicher) Gemeinschaftsvorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft ist, der die Gemeinde angehört.
2. Art. 137 Abs. 1 GG ermächtigt den Landesgesetzgeber unmittelbar zum Erlass wahlrechtsbeschränkender Bestimmungen. Einer vorherigen Umsetzung durch den Landesverfassungsgesetzgeber bedarf es nicht (im Anschluss an die st. Rspr., vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1964 – 2 BVR 319/61 – BVerfGE 18, 172 ff.).
3. Der in § 24 Abs. 4 Satz 1 ThürKO geregelte Ausschluss der gleichzeitigen Wahrnehmung von Amt und Mandat – Inkompatibilitätsregelung – ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Dies gilt auch, soweit die Regelung einen „faktischen” Ausschluss von der Wählbarkeit – Ineligibilitätsregelung – darstellt. Sie ist von der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG gedeckt, und darüber hinaus sachlich gerechtfertigt, da ansonsten dem gesetzgeberischen Ziel der Ermächtigung, Interessenskonflikte zu vermeiden, anders wirksam nicht begegnet werden kann.
Orientierungssatz
Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit kommunaler Unvereinbarkeitsregelungen im Freistaat Thüringen
Normenkette
GG Art. 137 Abs. 1; ThürVerf Art. 2, 95; ThürKWG § 30 Abs. 6; ThürKO § 23 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 28 Abs. 3-4, §§ 29, 38, 47, 48 Abs. 1, 3; ThürNGG § 16; ThürKWBG § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 7 Abs. 3 S. 1; ThürBG § 5 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 24.10.2001; Aktenzeichen 2 K 1744/99) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das auf Grund mündlicher Verhandlung vom 24. Oktober 2001 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Gera – 2 K 1744/99 GE – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Wahl des Klägers zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde E_____ ein Amtsantrittshindernis entgegensteht.
Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1996 hauptamtlicher Gemeinschaftsvorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft „R_____”. Am 13. Juni 1999 wurde er zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde E_____, die Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft „R_____” ist, gewählt.
Mit Bescheid vom 1. Juli 1999, zugestellt am 6. Juli 1999, stellte das Landratsamt des Saale-Orla-Kreises sofort vollziehbar fest, der Kläger könne das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde E_____ vom gleichen Tage an nicht antreten. Zur Begründung führte es aus, es bestehe ein Amtsantrittshindernis kraft Gesetzes, weil der Kläger als Gemeinschaftsvorsitzender hauptamtlich in der Verwaltungsgemeinschaft R_____ tätig sei.
Am 29. Juli 1999 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheides. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die einschlägige Regelung in der Thüringer Kommunalordnung beschränke unzulässigerweise sein passives Wahlrecht als ehrenamtlicher Bürgermeister. Eine Ermächtigungsgrundlage für eine Einschränkung der Wählbarkeit, die weder aus Art. 95 Verfassung des Freistaates Thüringen (ThürVerf) noch aus Art. 9 ThürVerf ableitbar sei, sei von verfassungs wegen nicht vorhanden. Im Übrigen verstoße die Regelung gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 2 Abs. 1 ThürVerf, weil der Kommunalgesetzgeber eine systemwidrige und willkürliche Differenzierung zwischen hauptamtlichen Beamten und hauptberuflichen Angestellten einerseits sowie entsprechenden Teilzeitkräften andererseits vorsehe. Ebenso verstoße die Gleichstellung von kommunalen Wahlbeamten und hauptamtlichen Laufbahnbeamten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. August 1999 ab, weil die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig sei. Die daraufhin vom Kläger vom 6. August 1999 beim Verwaltungsgericht Gera beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid vom 1. Juli 1999 hat das Gericht mit Beschluss vom 6. September 1999 – 2 E 987/99 GE – abgelehnt, da der Widerspruch des Klägers nach einer zu treffenden Prognoseentscheidung offensichtlich erfolglos sein werde.
Mit Bescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 25. Oktober 1999 wurde der Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, ...