Rz. 7
Der Anspruchsberechtigte muss auf Grund eines subjektiven, persönlichen Leistungshindernisses an der Dienstleistung bzw. Arbeitsleistung verhindert sein. Als persönliche Verhinderungsgründe sind insbesondere familiäre Ereignisse anerkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gegeben, wenn dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung aus dem gegebenen Anlass nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung seiner Treuepflicht und des entgegenstehenden Arbeitgeberinteresses an der Arbeitsleistung wegen anderweitiger, höherrangiger sittlicher oder rechtlicher Pflichten nicht zuzumuten ist (so bereits der Große Senat des BAG, Urteil v. 18.12.1959, GS 8/58). Es kommt mithin auf eine Abwägung der beiderseitigen konträren Interessen an, insbesondere auch darauf, ob im gegebenen Falle die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht überspannt wird. Anerkannt ist z. B.
- die eigene (standesamtliche und kirchliche) Hochzeit (BAG, Urteil v. 27.4.1983, 4 AZR 506/80),
- die Eintragung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG,
- die Hochzeit der Kinder,
- die eigene Silberhochzeit,
- die goldene Hochzeit der Eltern (BAG, Urteil v. 25.10.1973, 5 AZR 156/73),
- die Niederkunft der Ehefrau oder/und der Lebenspartnerin (BAG, Urteil v. 18.1.2001, 6 AZR 492/99),
- die Beerdigung und Trauerfeier von engen (Eltern, Kinder oder Geschwister) oder im Haushalt lebenden Angehörigen,
- religiöse Feste wie Erstkommunion oder Konfirmation der eigenen Kinder.
Aus § 616 BGB und aus § 242 BGB kann sich im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung des Arbeitnehmers zur Ausübung seiner Religion ergeben. Die Unterbrechung der Arbeit zur Religionsausübung wird teilweise als ein subjektives Leistungshindernis im Sinne von § 616 BGB angesehen. Eine tägliche nur mehrminütige Arbeitspause (für das islamische Nachmittagsgebet) führt im Sinne von § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB zu einer Arbeitsverhinderung nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit (LAG Hamm, Urteil v. 26.2.2002, 5 Sa 1582/01, Rn 71). Das Recht auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) berechtigt Arbeitnehmer aber nicht, im Rahmen des § 616 BGB ohne Berücksichtigung der Belange des Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Er ist zwar nicht verpflichtet, beim Vorgesetzten eine Arbeitsbefreiung zu beantragen. § 616 BGB führt ohne weitere gestaltende Erklärung des Arbeitgebers bei Bestehen des Leistungshindernisses zu einer Suspendierung der Arbeitspflicht für den Hinderungszeitraum (BAG, Urteil vom 20.5.1988 , 2 AZR 682/87). Der Arbeitnehmer ist aber nicht berechtigt, den genauen Zeitpunkt seiner Arbeitsunterbrechung innerhalb eines zur Verfügung stehenden Zeitrahmens ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten selbst zu bestimmen (LAG Hamm, Urteil v. 26.2.2002, 5 Sa 1580/01).
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Rz. 8
Eine Dienstverhinderung aus persönlichen Gründen können auch persönliche Unglücksfälle wie Einbruch, Brand, Überflutung/Hochwasser im eigenen Haus, unverschuldete Verkehrsunfälle oder zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft darstellen (BGH, Urteil v. 30.11.1978, III ZR 43/77); außerdem Termine bei Behörden und Gerichten, z. B. als Zeuge (BAG, Urteil v. 13.12.2001, 6 AZR 30/01; vgl. auch BAG, Urteil v. 4.9.1985, 7 AZR 249/83) oder als ehrenamtlicher Richter (BAG, Urteil v. 25.8.1982, 4 AZR 1147/79). Kommt es zu einer Kollision zwischen der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und seiner Pflicht zur Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, löst § 616 BGB diesen Konflikt zugunsten des Arbeitnehmers auf und verpflichtet den Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung (BAG, Urteil v. 22.1.2009, 6 AZR 78/08, Rn. 22). Die Tätigkeit als Ratsherr (§ 39 NGO) oder als Kreisrat ist aber keine Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht. Bei Wahrnehmung entsprechender Termine beruht der Arbeitsausfall auf einem freien Willensentschluss des Arbeitnehmers und nicht auf einem rechtlichen Zwang (BAG, Urteil v. 20.6.1995, 3 AZR 857/94; LAG Bremen, Urteil v. 17.11.2009, 1 Sa 131/08).
§ 29 Abs. 2 Satz 1 TVöD/TV-L verlangt von den im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmern, ihre allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten soweit wie möglich außerhalb der Arbeitszeit zu erfüllen. Sofern dies nicht möglich ist, muss der Arbeitnehmer nach § 29 Abs. 2 Satz 1 TVöD/TV-L versuchen, die Arbeitszeit zu verlegen. Ein Anspruch auf Entgelt bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten besteht nur, soweit die Pflicht nicht außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, wahrgenommen werden kann. Der als ehrenamtliche Richter tätige Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muss sich also bemühen, Einfluss auf die zeitliche Lage der Sitzung, zu der er herangezogen ist, zu nehmen und diese möglichst außerhalb seiner Arbeitszeit stattfinden zu lassen. Insbesondere bei Fortsetzungsterminen sowie Terminen zur Durchführung von Beweisaufnahmen oder einer Augenscheinseinnahme ist ...