Rz. 639

Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht oder der Verrat von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen können grds. eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen.

Es können sich in dieser Hinsicht bereits dann Sicherheitsbedenken ergeben, wenn der Arbeitnehmer freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen zu Konkurrenten oder Arbeitnehmern in Konkurrenzunternehmen pflegt. Hier ist bei Arbeitnehmern in besonderer Vertrauensstellung eine personenbedingte Kündigung denkbar, wenn konkrete Tatsachen dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer einem Interessenskonflikt unterliegt und deshalb der Verschwiegenheitspflicht nicht genügen wird.[1]

Sind bestimmte Sicherheitsanforderungen unmittelbar mit der Berufsausübung verbunden, kann bei einem Wachmann die personenbedingte (Änderungs-)Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn er erforderliche polizeiliche Befugnisse verliert.[2] Es ist dagegen nicht ausreichend, wenn eine Dienststelle lediglich erklärt, dass sie gegen einen Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken habe, wenn sie dies nicht mit Tatsachen belegen kann.[3]

 

Rz. 640

Im öffentlichen Dienst kann sich ein Eignungsmangel, der eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann, aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. Solche Zweifel können etwa bei einer Mitgliedschaft in einer oder einem aktiven Eintreten für eine verfassungsfeindliche Organisation geweckt werden. Sodann ist zu prüfen, inwieweit in Abhängigkeit von der allgemeinen Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers und dem konkreten Aufgabengebiet des Arbeitnehmers die außerdienstlichen Aktivitäten das Arbeitsverhältnis berühren.[4]

Allerdings müssen auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die nur eine "einfache" politische Treuepflicht trifft, ein Mindestmaß an Verfassungstreue aufbringen und dürfen z. B. nicht zu einem gewaltsamen Umsturz aufrufen. Diese Pflicht gilt sowohl für den dienstlichen wie auch den außerdienstlichen Bereich.[5] So fehlt etwa einem Lehrer die für eine Tätigkeit an einer staatlichen Schule erforderliche Verfassungstreue und damit die Eignung für die geschuldete Arbeitstätigkeit, wenn er – sei es im Geheimen oder öffentlich – antisemitische Inhalte verbreitet, den Holocaust anzweifelt und sich demokratiefeindlich äußert.[6]

Angestellte im Polizeidienst, die u. a. mit der Überwachung von jüdischen Einrichtungen betraut sind, trifft eine gesteigerte politische Loyalitätspflicht. Begründete Zweifel an der erforderlichen Verfassungstreue mit der Folge des Fehlens der persönlichen Eignung für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben können dann vorliegen, wenn sich der Angestellte entscheidende Fragestellungen der sog. Reichsbürgerideologie zu eigen macht.[7]

[1] BAG, Urteil v. 26.10.1978, 2 AZR 24/77, AP KSchG 1969 § 1 Sicherheitsbedenken Nr. 1.
[2] BAG, Urteil v. 18.3.1981, 5 AZR 1096/78, AP BGB § 611 Arbeitsleistung Nr. 2; vgl. zum Verlust einer Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen eines Mitarbeiters beim Bundesamt für Verfassungsschutz BAG, Urteil v. 26.11.2009, 2 AZR 272/08, AP BGB § 626 Nr. 225.
[3] BAG, Urteil v. 21.3.1996, 2 AZR 479/95 sowie BAG, Urteil v. 20.7.1989, 2 AZR 114/87, AP KSchG 1969 § 1 Sicherheitsbedenken Nr. 2.
[7] LAG Hamburg, Urteil v. 22.4.2022, 7 Sa 49/21, juris; zum Fall einer Polizeiärztin, die mit einer Zeitungsanzeige die gesetzgebenden Organe verächtlich machte, vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 2.2.2022, 10 Sa 66/21, NZA-RR 2022, 262.

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