Rz. 48
Gegenüber einem Mitglied des geschützten Personenkreises ist, abgesehen von den in Abs. 4 und 5 geregelten Ausnahmefällen, nur eine außerordentliche Kündigung zulässig.
5.1 Rechtsgrundlage
Rz. 49
Eine außerordentliche Kündigung setzt voraus, "dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen" (§ 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 KSchG). Obwohl § 15 KSchG seit der Neugestaltung durch das BetrVG 1972 nicht mehr ausdrücklich auf § 626 BGB hinweist, bestimmt sich das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach dieser Vorschrift; denn die Streichung des Hinweises auf § 626 BGB war allein deshalb notwendig, weil der besondere Kündigungsschutz auch auf Mitglieder einer Bordvertretung und eines Seebetriebsrats sowie des Wahlvorstands und die Wahlbewerber für diese Gremien erweitert wurde. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung gegenüber Besatzungsmitgliedern eines Schiffes richtet sich nämlich nicht nach § 626 BGB, sondern nach § 67 SeeArbG.
Rz. 50
Der Arbeitgeber muss das Recht zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist haben. Deshalb gehört hierher nicht, dass der Insolvenzverwalter das Recht zur Kündigung nach § 113 InsO hat. Daher kann auch ein Insolvenzverwalter einem Betriebsratsmitglied nur kündigen, wenn ein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt oder wenn er den Betrieb stilllegt, im letzteren Fall unter Einhaltung der in § 113 InsO vorgesehenen Kündigungsfrist.
Soweit der Arbeitgeber das Recht zur fristlosen Kündigung hat, ist er aber nicht gezwungen, auch tatsächlich fristlos zu kündigen; er darf vielmehr eine Auslauffrist einhalten, muss aber für den Arbeitnehmer erkennbar zum Ausdruck bringen, dass er eine außerordentliche Kündigung erklären will.
5.2 Wichtiger Grund
Rz. 51
Nach § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die diesbezügliche Prüfung erfolgt zweischrittig. Kann zunächst festgestellt werden, dass der Sachverhalt "an sich", d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist, ist in einem zweiten Schritt die Zumutbarkeit anhand der konkreten Umstände des Falls zu ermitteln. Durch Vertrag kann nicht festgelegt werden, was als wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann weder eingeschränkt noch erweitert werden.
Dabei genügt es nicht, dass ein wichtiger Grund objektiv vorgelegen hat. Insofern scheidet die Annahme einer außerordentlichen Kündigung aus, wenn nur eine ordentliche ausgesprochen wurde.
Rz. 52
Das Betriebsratsmitglied steht hinsichtlich der Beurteilung des wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung im Grundsatz jedem anderen Arbeitnehmer gleich. Die Eigenschaft als Amtsträger i. S. d. § 15 KSchG darf weder zu seinen Gunsten noch zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden. Für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ist daher nicht auf den Zeitraum bis zum Ende des Betriebsratsmandats abzustellen, sondern entscheidend ist die "fiktive" Kündigungsfrist nach § 622 BGB (oder der arbeitsvertraglichen Vereinbarung), die der Arbeitnehmer hätte, wäre er nicht Betriebsratsmitglied. Es ist zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, für die Dauer der bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer einschlägigen (fiktiven) Kündigungsfrist Übergangsregelungen zu treffen, die die Interessen des Betriebsratsmitglieds weniger beeinträchtigen.
Rz. 53
Nach dem BAG ist in den Fällen, in denen eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied ausgeschlossen ist, auch eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist unzulässig. Andernfalls würden ...