Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 114
Hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Auskunfts- und Beratungspflichten im Rahmen des Konsultationsverfahrens (§ 17 Abs. 2 KSchG) ist zu unterscheiden zwischen den Rechtsbeziehungen der Betriebsparteien einerseits und der Parteien des Arbeitsverhältnisses andererseits.
5.3.1 Betriebsverfassungsrechtliche Folgen
Rz. 115
Verstößt der Arbeitgeber gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten aus § 17 Abs. 2 KSchG, steht dem Betriebsrat kein allgemeiner Unterlassungsanspruch gegen die Massenentlassung zu. Ein allgemeiner Unterlassungsanspruch kommt allenfalls bei echten Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats in Betracht. Bei groben Verstößen ist allerdings an § 23 Abs. 3 BetrVG zu denken.
Rz. 116
Der Verstoß gegen die Auskunfts- und Beratungspflicht wird nicht als Ordnungswidrigkeit sanktioniert. § 121 BetrVG findet keine Anwendung.
5.3.2 Kündigungsschutzrechtliche Folgen
Rz. 117
Die Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) und die Anzeigeverfahren (§ 17 Abs. 1 und 3 KSchG) sind jeweils getrennt durchzuführende Verfahren und hinsichtlich ihrer Folgen für die Wirksamkeit der im Rahmen einer Massenentlassung erklärten Kündigung oder der sonst als Entlassung i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu wertenden Handlung des Arbeitgebers getrennt voneinander zu behandeln (vgl. Rz. 20). Etwaige Fehler der Konsultationspflicht bzw. des Anzeigeverfahrens müssen daher jeweils gesondert gerügt werden. Fehler im Konsultationsverfahren sollen auch bei Umsetzung der vom 6. Senat beabsichtigten Rechtsprechungsänderung im Sanktionssystem (dazu Rz. 159 ff.) weiterhin die Nichtigkeit der Kündigung (bzw. sonstigen Entlassungshandlung) nach § 134 BGB zur Folge haben. Wird der Betriebsrat nicht schriftlich oder nicht ordnungsgemäß i. S. d. Nr. 1 bis 5 von § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet oder führt der Arbeitgeber das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht ordnungsgemäß durch, hat dies die Unwirksamkeit der Arbeitgeberkündigung bzw. der sonstigen vom Arbeitgeber veranlassten Beendigungshandlung nach § 134 BGB zur Folge. Wird der Betriebsrat vor einer Massenentlassung im Rahmen des Konsultationsverfahrens entgegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KSchG nicht über die betroffenen Berufsgruppen unterrichtet, kommt eine Heilung dieses Verfahrensfehlers durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats in Betracht, wenn wegen einer Betriebsstilllegung die Entlassung aller Arbeitnehmer beabsichtigt ist und der Betriebsrat hierüber ordnungsgemäß unterrichtet wurde. Der Stellungnahme muss zu entnehmen sein, dass der Betriebsrat seinen Beratungsanspruch (§ 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG) als erfüllt ansieht.
Rz. 118
Die Nichtdurchführung des Beratungsverfahrens nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG führt auch zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Massenentlassung ausgesprochenen Kündigung. Die Beratung mit dem Betriebsrat nach ordnungsgemäßer Unterrichtung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die nachfolgende Entlassung. Ein erfolgreicher Abschluss des Beratungsverfahrens ist hingegen nicht erforderlich. Der Arbeitgeber ist nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG am Ende allerdings verpflichtet, den "Stand der Beratungen" anzugeben.
Das BAG hält die Heilung eines Unterrichtungsmangels für möglich, wenn der Betriebsrat nach der Beratung mit dem Arbeitgeber erklärt, dass er seinen Beratungsanspruch (§ 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG) als erfüllt ansieht und damit zum Ausdruck bringt, dass er bezüglich der beabsichtigten Massenentlassung und ihrer Folgen keine weiteren Vorschläge unterbreiten kann oder will und das Konsultationsverfahren als beendet ansieht. Eine solche Erklärung kann in einem Interessenausgleich enthalten sein. Voraussetzung für die Heilung des Unterrichtungsmangels ist, dass der Betriebsrat bei Abgabe der Erklärung über ausreichende Informationen verfügt, dass der Zweck des Konsultationsverfahrens als erreicht angesehen werden kann. Diese Heilungsmöglichkeit steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des Unionsrechts, weil das Konsultationsverfahren kein individuelles Recht der einzelnen Arbeitnehmer gewährleistet, auf das der Betriebsrat nicht verzichten kann, sondern ein kollektives Informationsrecht der Arbeitnehmervertretung, das lediglich Schutzwirkungen für die Arbeitnehmer entfaltet. Im Hinblick darauf ist aus Arbeitgebersicht eine Klausel im Interessenausgleich anzustreben, die z. B. wie folgt lauten kann:
"Die Gesellschaft hat den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die geplanten Maßnahmen sowie schriftlich über die in § 17 Abs. 2 KSchG genannten Punkte unterrichtet und die geplanten Maßnahmen mit dem Betriebsrat beraten. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ist mit Abschluss dieses Interessenausgleichs beendet. Der Betriebsrat bestätigt die Beendigung des Konsultationsverfahrens und erte...