Leitsatz
Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, bei Auskehr des Verwertungserlöses (§ 170 Abs. 1 InsO) für Gegenstände, die dem Vermieterpfandrecht unterliegen, nach § 366 Abs. 1 BGB zu bestimmen, dass zunächst die Mietzinsforderungen des Vermieters getilgt werden sollen, die als Masseverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind und sodann erst offene Mietzinsinsolvenzforderungen.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 366 Abs. 1; InsO §§ 166 ff.
Kommentar
Zwischen dem Vermieter und der Mieterin bestand seit dem Jahr 2003 ein Mietverhältnis über Produktions- und Büroräume. Am 1.4.2005 wurde über das Vermögen der Mieterin das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter hat den Betrieb zunächst fortgeführt, die Miete aber nicht vollständig bezahlt. Das Mietverhältnis endete am 15.8.2006. Am 12.10.2006 wurde das Mietobjekt an den Vermieter zurückgegeben.
Der Vermieter hat sowohl Mietforderungen vor Insolvenzeröffnung (Insolvenzforderungen) als auch Mietforderungen nach Insolvenzeröffnung (Masseverbindlichkeiten) eingeklagt. Weiterhin hat er an verschiedenen Gegenständen der Mieterin ein Pfandrecht geltend gemacht. Diese Gegenstände hat der Insolvenzverwalter verwertet. Den Erlös hat er an den Vermieter ausgekehrt und dabei erklärt, dass durch die Zahlung zuerst die noch offenen Masseverbindlichkeiten und erst danach die offenen Insolvenzforderungen getilgt werden sollen. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter zu einer solchen Tilgungsbestimmung befugt ist.
Das Problem stellt sich deshalb, weil das Recht zur Verwertung der dem Pfandrecht unterliegenden Gegenstände dem Insolvenzverwalter zusteht (§ 166 Abs. 1 InsO). Wird das Vermieterpfandrecht wegen einer vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Mietforderung geltend gemacht, so hat der Vermieter hinsichtlich des Erlöses aus der Verwertung der Pfandsache ein Absonderungsrecht (§ 50 Abs. 2 InsO), er kann Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens verlangen (§§ 47 f. InsO). Der Insolvenzverwalter muss also den Erlös an den Vermieter auskehren (§ 170 InsO). Der damit verbundene Sicherungszweck des Vermieterpfandrechts wird allerdings entwertet, wenn Mieten aus der Zeit nach der Insolvenzeröffnung offenstehen und dem Insolvenzverwalter das Recht zugebilligt wird, den Erlös aus der Verwertung der Pfandsache auf diese Forderungen zu verrechnen.
Grundsätzlich steht das Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 BGB dem Schuldner zu. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner vorgeht oder wenn die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorsteht, sodass dem Schuldner keine andere Wahl bleibt als die Vollstreckung zu dulden. Für Fälle der vorliegenden Art vertritt das Gericht die Ansicht, dass die Zahlung des Insolvenzverwalters auf freiwilliger Basis erfolgt. Es verbleibt damit beim allgemeinen Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter die Tilgungsfolge bestimmen kann.
Außerordentlich fristlos wegen Zahlungsverzugs kündigen
Bei dieser Rechtslage ist dem Vermieter zu raten, das Mietverhältnis alsbald nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu kündigen, wenn der Mieter nach Verfahrenseröffnung in Zahlungsverzug gerät. Auf diese Weise wird vermieden, dass weitere Masseverbindlichkeiten entstehen.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Urteil v. 19.10.2011, 13 U 1179/10, NZM 2012 S. 84