Rz. 29
Nach § 43 Abs. 4 BetrVG kann die im Betrieb vertretene Gewerkschaft verlangen, dass der Betriebsrat die Betriebsversammlung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einberuft, wenn im vorangegangenen Kalenderhalbjahr keine Betriebsversammlung stattgefunden hat. Gemeint ist damit die erste oder zweite Hälfte des Jahres. Es reicht also nicht aus, dass die letzte Versammlung länger als ein halbes Jahr zurückliegt, wenn sie doch wenigstens im vergangenen Kalenderjahr erfolgte.
Hat im Januar des laufenden Kalenderjahrs eine Betriebsversammlung stattgefunden, so kann die im Betrieb vertretene Gewerkschaft auch im Dezember desselben Jahrs nicht die Einberufung einer erneuten Betriebsversammlung verlangen.
Rz. 30
Das Antragsrecht der Gewerkschaft ist nicht nur ausgeschlossen, wenn im letzten Kalenderhalbjahr eine regelmäßige Betriebsversammlung stattgefunden hat, sondern auch dann, wenn eine zusätzliche oder außerordentliche Betriebsversammlung durchgeführt wurde. Darauf, ob in der abgehaltenen Betriebsversammlung auch ein Tätigkeitsbericht erstattet worden ist, kommt es nicht an. § 43 Abs. 4 BetrVG verweist nicht lediglich auf die regelmäßige Versammlung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, sondern setzt ausweislich seines eindeutigen Wortlauts voraus, dass im vergangenen Jahr überhaupt keine Betriebsversammlung stattgefunden hat.
Rz. 31
Umstritten ist, inwieweit eine mangelhafte Versammlung einer fehlenden Versammlung gleichgestellt werden kann. Zu denken ist insbesondere an die Fälle, in denen kein Tätigkeitsbericht abgelegt worden ist oder die Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß geladen worden sind. Eine Gleichstellung scheidet jedenfalls aus, wenn die Fehlerhaftigkeit nicht vom Arbeitgeber zu verantworten ist. Denn ansonsten würde dieser erneut mit bezahltem Arbeitsausfall belastet, ohne diesen (mit-)verursacht zu haben.
Rz. 32
Ein Antragsrecht ist aber gegeben, wenn im vergangenen Kalenderhalbjahr lediglich eine von zwei oder mehreren Abteilungsversammlungen durchgeführt worden ist. Sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch der Zweck, die ausreichende Information der gesamten Belegschaft zu erreichen, setzt voraus, dass von der durchgeführten Versammlung sämtliche Arbeitnehmer erfasst worden sind.
Rz. 33
Die auf Antrag einberufene Versammlung ist grundsätzlich als Vollversammlung durchzuführen. Die Abhaltung von Abteilungsversammlungen ist in diesem Fall unzulässig. Hingegen kommt die Durchführung von Teilversammlungen unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in Betracht.
Rz. 34
Für die Einberufung hat der Betriebsrat 2 Wochen Zeit. Er hat also lediglich innerhalb von 2 Wochen den Zeitpunkt der Betriebsversammlung festzusetzen; er muss sie nicht innerhalb dieses Zeitraums auch bereits durchführen. Die Betriebsversammlung kann also auch erst nach Ablauf von 14 Tagen stattfinden. Der Zeitpunkt darf aber nicht unverhältnismäßig lange hinausgezögert werden. Für die Berechnung der Zwei-Wochen-Frist gelten die §§ 187 ff. BGB. Der Tag des Eingangs des Antrags beim Betriebsrat zählt bei der Fristberechnung also nicht mit.
Rz. 35
Kommt der Betriebsrat der Aufforderung der Gewerkschaft nicht nach, so kann die Einberufung durch das Gericht erzwungen werden. Fraglich ist, ob auch eine auf Einberufung gerichtete einstweilige Verfügung möglich ist. Dagegen spricht entscheidend, dass mit Einberufung die Hauptsache vorweggenommen wird. Darüber hinaus stellt die Nichtbefolgung des Antrags jedenfalls aber eine grobe Pflichtverletzung nach § 23 Abs. 1 BetrVG dar, die zur Auflösung des Betriebsrats durch das Gericht führen kann.