Rz. 51
Streitigkeiten über die Betriebsratsfähigkeit eines Betriebs oder gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen werden durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren entschieden (§ 2a ArbGG). Dies gilt auch für die Frage, ob zwei selbstständige Betriebe vorliegen und ob mehrere an sich selbstständige Betriebe einen Betrieb im Rechtssinn bilden. Ist zweifelhaft, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, können der Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft nach § 18 Abs. 2 BetrVG eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Im Unterschied zum Urteilsverfahren erforscht das Gericht im Beschlussverfahren den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Aufgrund dieser "Amtsermittlungspflicht" besteht auch keine Beweisführungslast. Das Gericht entscheidet vielmehr darüber, welche Beweise vernünftigerweise erhoben werden. Im Beschlussverfahren kann kein Versäumnisurteil ergehen. In der ersten Instanz kann der Betriebsrat selbst auftreten. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts erfolgt durch Beschluss. Gegen diesen Beschluss kann der unterliegende Beteiligte Beschwerde vor dem zuständigen Landesarbeitsgericht einlegen. Die Beschwerdefrist und die Beschwerdebegründungsfrist betragen wie im Urteilsverfahren einen bzw. zwei Monate. Aus rechtskräftigen Beschlüssen findet auch im Beschlussverfahren die Zwangsvollstreckung statt, sofern ein Beteiligter einer ausgesprochenen Verpflichtung nicht freiwillig nachkommt. Im Beschlussverfahren ist auch ein einstweiliges Verfügungsverfahren (Eilverfahren) möglich. Einstweilige Verfügungsverfahren setzen auch hier einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Mit einer einstweiligen Verfügung kann z. B. der Betriebsrat die Unterlassung einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme durch den Arbeitgeber erreichen und damit verhindern, dass der Arbeitgeber vollendete Tatsachen schafft. Im Gegensatz zum einstweiligen Verfügungsverfahren nach der ZPO ist ein möglicher Schadensersatzanspruch nach Aufhebung einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt im Beschlussverfahren nach dem Arbeitsgerichtsgesetz ausgeschlossen. Insoweit muss der Betriebsrat selbst bei Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nicht mit Schadensersatzansprüchen rechnen. Die (zwangsweise) Durchsetzung von Ansprüchen Dritter gegen den Betriebsrat als Organ ist trotz dessen partieller Vermögensfähigkeit auf Freistellungsansprüche des Betriebsrates gegen den Arbeitegeber aus § 40 Abs. 1 BetrVG beschränkt (BGH, Urteil v. 25.10.2012, III ZR 266/11).
6.1 Wahlordnung – WO
Rz. 52
Im Anschluss an die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes wurde auch die Wahlordnung nach § 126 BetrVG vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Zustimmung des Bundesrats neu gestaltet. In einem ersten Teil (§§ 1–27 WO BetrVG) wird die Wahl des Betriebsrats aufgrund von Vorschlagslisten (bei Wahl von mehr als drei Betriebsratsmitgliedern) geregelt, in einem zweiten Teil die Wahl des Betriebsrats im vereinfachten Verfahren (§§ 28–37 WO BetrVG), dies betrifft vor allem Betriebe mit in der Regel nicht mehr als 50 Wahlberechtigten, und in einem dritten Teil die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§§ 38–40 WO BetrVG), bevor in einem vierten Teil Beweis- und Beschlussvorschriften geregelt sind. Schwerpunkte der Neufassung sind:
- Aufhebung der Gruppen der Arbeiter und Angestellten mit der Folge, dass alle Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer den Betriebsrat gemeinsam bestellen.
- Anteilsmäßige Vertretung des Geschlechts in der Minderheit im Betriebsrat (§ 15 Abs. 2 BetrVG) und in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 62 Abs. 3 BetrVG).
- Vereinfachtes Wahlverfahren für Betriebsräte und Jugend- und Auszubildendenvertretungen in Kleinbetrieben (§ 14a, § 63 Abs. 4 und 5 BetrVG).
- Wahlrecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von einem anderen Arbeitgeber zur Arbeitsleistung überlassen werden, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden (§ 7 S. 2 BetrVG).
Steht fest, welches Wahlverfahren auf den Betrieb anzuwenden ist, ist nach der Wahlordnung insbesondere zu berücksichtigen, wie die Mindestsitze für das Geschlecht in der Minderheit bestimmt werden müssen. Dies ergibt sich für das Wahlverfahren nach § 14 BetrVG aus § 5 WO BetrVG i. V. m. § 15 WO BetrVG und § 15 Abs. 2 BetrVG.
Wird dagegen das vereinfachte Wahlverfahren nach § 14a BetrVG angewandt, weist § 32 WO BetrVG darauf hin, dass die Bestimmungen der Mindestsitze für das Geschlecht in der Minderheit erst erforderlich ist, wenn der Betriebsrat aus mindestens drei Mitgliedern besteht.
Nach § 5 WO BetrVG ermittelt der Wahlvorstand die Anzahl der Mindestsitze für das Geschlecht in der Minderheit nach dem sogenannten d'Hondt'schen Höchstzahlenverfahren.
Bereits das Wahlausschreiben muss nach § 3 WO BetrVG den Anteil der Geschlechter und den Hinweis...