3.3.4.1 Ordentliche Betriebsratsmitglieder
Rz. 10
Es ergibt sich ausdrücklich aus § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, dass der Betriebsratsvorsitzende die Mitglieder des Betriebsrats zu der Sitzung einzuladen hat. Ist das vom Wahlvorstand festgestellte Ergebnis der Betriebsratswahl angefochten, hat der Vorsitzende gleichwohl zunächst die vom Wahlvorstand für gewählt erklärten Betriebsratsmitglieder einzuladen, bis vom Arbeitsgericht rechtskräftig etwas anderes entschieden worden ist. Ersatzmitglieder haben – außer wenn sie ein Betriebsratsmitglied vertreten – auf den Betriebsratssitzungen – etwa zur allgemeinen Information, weil sie demnächst zu einer Sitzung herangezogen werden – kein Teilnahmerecht, denn sie sind nicht Mitglied des Betriebsrats. Andernfalls würde der Betriebsrat gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit der Betriebsratssitzung nach § 30 Satz 4 BetrVG verstoßen.
3.3.4.2 Ersatzmitglieder
Rz. 11
Die Ladung von Ersatzmitgliedern ist in § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG und § 25 Abs. 1 und 2 BetrVG genau geregelt.
Ein Ersatzmitglied darf nur dann – muss dann aber auch geladen werden –, wenn das gewählte Betriebsratsmitglied verhindert ist. Damit stellt sich die Frage, wann ein Betriebsratsmitglied im Sinne dieser Vorschriften "verhindert" ist. Eine Verhinderung liegt immer, – aber auch nur dann vor, wenn das Betriebsratsmitglied vorübergehend aus rechtlichen (BAG, Urteil v. 23.8.1984, 2 AZR 391/83) oder tatsächlichen (BAG, Urteil v. 15.11.1984, 2 AZR 341/83) Gründen nicht in der Lage ist, seine betriebsverfassungsrechtlichen Amtsobliegenheiten auszuüben. Dabei steht es einer objektiven Verhinderung gleich, wenn es dem Betriebsratsmitglied unzumutbar ist, seine Amtsaufgaben wahrzunehmen. Auf die Vorhersehbarkeit oder die Dauer der Verhinderung kommt es nicht an. Die nicht immer einfache Entscheidung über die Frage, ob eine Verhinderung vorliegt oder ob das Betriebsratsmitglied nur die Sitzung "schwänzt", und damit die Entscheidung, ob ein Ersatzmitglied geladen wird oder nicht, hat der Vorsitzende zu treffen. Aus diesem Grund ordnet § 29 Abs. 2 Satz 5 BetrVG auch an, dass ein verhindertes Betriebsratsmitglied dies dem Vorsitzenden unter Angabe von Gründen mitzuteilen hat, um den Vorsitzenden in die Lage zu versetzen, beurteilen zu können, ob ein Verhinderungsfall vorliegt. Der Vorsitzende braucht die Stichhaltigkeit des angegebenen Grundes aber nicht zu überprüfen, sondern darf sich auf die Richtigkeit der Angaben verlassen. So hat das BAG entschieden, dass ein Verhinderungsfall – und damit die erforderliche Ladung eines Ersatzmitglieds zur Betriebsratssitzung – vorlag, als sich ein Betriebsratsmitglied krankgemeldet hatte, sich hinterher aber herausstellte, dass es gar nicht krank war (BAG, Urteil v. 5.9.1986, 7 AZR 175/85). Unter Umständen muss der Vorsitzende bei kurzfristigen Verhinderungen auch ebenso kurzfristig ein Ersatzmitglied laden. Ist in diesem Fall kein Ersatzmitglied greifbar, ist zur Betriebsratssitzung dennoch vollständig eingeladen worden. Die Beschlussfähigkeit vorausgesetzt, kann der Betriebsrat rechtswirksame Beschlüsse fassen.
Unterlaufen dem Betriebsratsvorsitzenden hier Fehler, weil ein teilnahmeberechtigtes Betriebsratsmitglied oder ein zu ladendes Ersatzmitglied nicht geladen wurde, führen diese immer zur Unwirksamkeit des Beschlusses (BAG, Urteil v. 23.8.1984, 2 AZR 391/83).
Wurde hingegen ein Ersatzmitglied zu Unrecht geladen, obwohl kein Verhinderungsfall vorlag, so ist der Beschluss nur unwirksam, wenn sich dies auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat (BAG, Beschluss v. 6.12.2006, 7 ABR 62/05 Rz. 19: Wirkt an der Beschlussfassung des Betriebsrats eine hierzu nicht berechtigte Person mit, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit des Beschlusses, es sei denn, der Fehler hatte offensichtlich keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis.
Besteht darüber Zweifel, ob eine Verhinderung vorliegt, sollte der Vorsitzende daher das Ersatzmitglied laden.
3.3.4.3 Einzelfälle der Verhinderung:
Rz. 12
Krankheit: Ein kranker und dadurch arbeitsunfähiger Betriebsrat ist normalerweise auch verhindert. Allerdings muss das nicht immer so sein, denn es sind Situationen denkbar – z. B. Armbruch – in denen der Betriebsrat zwar seiner Arbeitstätigkeit nicht nachgehen, trotzdem aber seine Aufgaben als Betriebsrat ausüben kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil v. 15.11.1984, 2 AZR 341/83) hat hier die Regel aufgestellt, dass bei Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsrats vermutet wird, dass dieser auch als Betriebsrat verhindert ist. Ausnahme: Das Betriebsratsmitglied hat mitgeteilt, dass es trotz seiner Arbeitsunfähigkeit seine Aufgaben als Betriebsrat weiter wahrnehmen will.
Im Falle einer grassierenden Epidemie ist eine allgemeine Angst vor Ansteckung kein Grund, einer Betriebsratssitzung fernzubleiben, so wie auch der Arbeitnehmer wegen einer allgemeinen Ansteckungsgefahr nicht der Arbeit fernbleiben darf, solange der Arbeitgeber die ihm obliegenden Schutzmaßnahmen erfüllt. Etwas anderes kann gelten, wenn das Betriebsratsmitglied zu einer Risikogruppe...