Rz. 5
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann durch Tarifvertrag bestimmt werden, dass in Unternehmen mit mehreren Betrieben ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gebildet wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG) oder mehrere Betriebe zu einem einheitlichen Betrieb zusammengefasst werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1b BetrVG), wenn dadurch die Bildung von Betriebsräten erleichtert bzw. eine sachgerechte Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen ermöglicht wird.
Rz. 6
Die erste der beiden Varianten eröffnet den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, einen einheitlichen Betriebsrat für das gesamte Unternehmen vorzusehen. Das heißt, es wird die Möglichkeit eröffnet, den Betriebsrat an der Stelle im Unternehmen anzusiedeln, an welcher die für die Arbeitnehmer relevanten Entscheidungen tatsächlich getroffen werden, nämlich beim Rechtsträger, dem Unternehmen. Durch die Schaffung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats erübrigt sich das Nebeneinander mehrerer kleiner Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats. Damit folgt der Gesetzgeber einer bereits im Sprecherausschussgesetz ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit. Gem. § 20 SprAuG ist es möglich, für das gesamte Unternehmen einheitlich einen Sprecherausschuss auf Ebene des Unternehmens anzusiedeln. Anders als im Sprecherausschussgesetz sieht § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG jedoch vor, dass diese Abweichung durch Tarifvertrag zu erfolgen hat und nur, wenn eine tarifliche Regelung fehlt, ist eine solche Regelung durch Betriebsvereinbarung möglich (§ 3 Abs. 2 BetrVG).
Rz. 7
Die zweite der beiden Varianten eröffnet den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, in einem Unternehmen jeweils mehrere Betriebe zu einem Betrieb zusammenzufassen, § 3 Abs. 1 Nr. 1b BetrVG. Diese Möglichkeit entspricht weitgehend dem früheren § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972, lässt es jedoch auch zu, und insoweit geht die Regelung über die frühere deutlich hinaus, andere Gesichtspunkte für die Zusammenfassung mehrerer Betriebe zu einem einheitlichen Betrieb, wie etwa regionale Gegebenheiten, als Anknüpfungspunkt zu nehmen. Dies kann insbesondere für Unternehmen mit einem weit verzweigten Filialnetz Bedeutung erlangen.
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dient vor allem dazu, für die Bildung des Betriebsrats größere Einheiten zu schaffen und sich somit vom Betriebsbegriff des § 1 BetrVG zu lösen. Voraussetzung für beide Varianten ist jedoch zwingend, dass durch die Neugestaltung die Bildung von Betriebsräten erleichtert wird (vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 27.6.2003, 10 TaBV 22/03) oder einer sachgerechten Wahrung der Arbeitnehmerinteressen dient. Fehlt es an diesen alternativ genannten Voraussetzungen, ist die abweichende tarifliche Regelung unwirksam. Eine isolierte Begründung, dass etwa die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten erleichtert oder verbessert wird, genügt ebenso wenig den Anforderungen, wie das Interesse an einer Kosteneinsparung.
Ein Tarifvertrag, durch den Betriebe gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG zusammengefasst werden, kann dynamisch regeln, dass Betriebsräte jeweils in den Regionen zu wählen sind, in denen nach den organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers Bezirksleitungen bestehen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass Interessenvertretungen der Arbeitnehmer dort gebildet werden, wo sich unternehmerische Leistungsmacht konkret entfaltet (BAG, Beschluss v. 21.9.2011, 7 ABR 54/10).
Durch die Zusammenfassung von Betrieben behalten die einzelnen Betriebe auch nach der Wahl eines neuen Betriebsrats auf der Grundlage des tarifvertraglich geschaffenen Wahlbetriebs ihre betriebsverfassungsrechtliche Identität (BAG, Beschluss v. 18.3.2008, 1 ABR 3/07). Die für sie bisher geltenden Betriebsvereinbarungen bleiben daher auch unter der neuen Vertretungsstruktur bestehen, sofern sich ihre Identität nicht aufgrund von weitergehenden unternehmerischen Maßnahmen geändert hat (BAG, Beschluss v. 7.6.2011, 1 ABR 110/09).