Rz. 17
Die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit von Fragestellungen des Arbeitgebers sind durch das am 18.8.2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Grundsatz unberührt geblieben. Die von § 94 BetrVG angesprochenen Beteiligten haben bei der Erstellung von Fragebögen und Beurteilungsgrundsätzen aber nunmehr explizit darauf zu achten, dass die in § 1 AGG definierten Diskriminierungstatbestände
- Rasse,
- ethnische Herkunft,
- Geschlecht,
- Religion oder Weltanschauung,
- Behinderung,
- Alter und
- sexuelle Identität
nicht berührt oder jedenfalls aus den gesetzlich normierten Gründen (vgl. §§ 8 ff. AGG) eine Benachteiligung gerechtfertigt ist.
Rz. 17a
In der arbeitsgerichtlichen Praxis hat sich gezeigt, dass in diesem Kontext der Vorschrift des § 22 AGG eine ganz besondere Bedeutung zukommt, die bereits bei Beginn des Bewerbungsverfahrens im Blick gehalten werden sollte. Danach trägt, wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. So stellt die Anforderung "sehr gutes Deutsch" in einer Stellenanzeige für "Spezialist Software (w/m)" ein Indiz für die mittelbare Benachteiligung eines nicht zum Vorstellungsgespräch geladenen Bewerbers mit "Migrationshintergrund" wegen dessen ethnischer Herkunft dar (LAG Nürnberg, Urteil v. 5.10.2011, 2 Sa 171/11). Entsprechendes gilt für die Nichtbeantwortung einer Stellenbewerbung in Verbindung mit anderen Indizien (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 13.11.2012, 2 Sa 217/12). Ferner ist die Benachteiligung wegen des Alters indiziert, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber die Stellenanzeige für ein Traineeprogramm "Hochschulabsolventen/Young Professionals" an "Berufsanfänger" richtet und einen 36-jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung sowie als Rechtsanwalt ablehnt (BAG, Urteil v. 24.1.2013, 8 AZR 429/11). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber in einer Stellenanzeige eine "zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team" anbietet und den 61-jährigen Bewerber ablehnt Andererseits stellt die Ablehnung der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ohne Angabe von Gründen zumindest dann keine Indiztatsache für eine Diskriminierung dar, wenn die Arbeitgeberin ihrer Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen nachgekommen ist (BAG, Urteil v. 21.2.2013, 8 AZR 180/12). Die Nichtaufnahme einer Kopftuch tragenden Frau islamischen Glaubens in den Schuldienst des Landes Berlin indiziert eine entschädigungspflichtige Diskriminierung nach dem AGG, die das beklagte Land nicht allein unter Hinweis auf das geltende Neutralitätsgesetz entkräften kann.