Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 21 Abs. 4 WEG, § 1618a BGB
Kommentar
1. Bei einer aus Mutter (74 Jahre) und Tochter bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft ist es auch bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der Mutter nicht rechtsmissbräuchlich, wenn die Tochter die Mitwirkung der Mutter bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung, insbesondere der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie Zahlung der anteiligen Kosten verlangt.
2. Jedoch kann die Tochter aufgrund der gesetzlichen Beistandspflicht gegenüber der Mutter (vgl. § 1618a BGB) verpflichtet sein, persönlich zu erfüllende Räum- und Streupflichten zu übernehmen. Diese Arbeiten werden i. d. R. von den Anliegern selbst erledigt; bei Wohnungseigentümergemeinschaften gilt dies jedenfalls dann, wenn es sich um ganz kleine Gemeinschaften handelt. Einen Anspruch darauf, dass die den Wohnungseigentümern als Anliegern gemeinschaftlich obliegende Räum- und Streupflicht gegen Entgelt einem Dritten übertragen wird, hat ein Wohnungseigentümer in einem solchen Fall grundsätzlich nicht (vgl. BGH, NJW 1985, 484; BayObLG, ZMR 1986, 319; OLG Stuttgart, WEZ 1988, 41). Bei der persönlich zu erfüllenden Räum- und Streupflicht greife hier auch die Beistandspflicht der Tochter gegenüber ihrer Mutter gem. § 1618a BGB ein, da es dieser wegen ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, ihren Teil der Räum- und Streupflicht zu erfüllen. Die Beauftragung eines Dritten, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sei, könne die Tochter als Antragstellerin billigerweise nicht verlangen.
3. Die Sache wurde an das LG zurückverwiesen bei Geschäftswertansatz für das Rechtsbeschwerdeverfahren von DM 6.070,- (bei entsprechender Abänderung der Wertansätze durch das AG und das LG).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 27.05.1993, 2Z BR 24/93)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Im vorliegenden Fall mag die Entscheidung zur verneinten Fremdbeauftragungsverpflichtung für Räum- und Streudienste bei nur 2 Beteiligten (Mutter und Tochter) vertretbar erscheinen. Generell besteht allerdings wohl entgegen der Auffassung des BayObLG m. E. keine Verpflichtung von Miteigentümern, solche Dienste in tätiger Mithilfe selbst erledigen zu müssen; vielmehr muss bei fehlender Einigung auch unter Wahrung gerechter Kostenverteilung im Rahmen getroffener Vereinbarungen grds. ein Dritter entsprechend beauftragt und von allen Eigentümern anteilig entlohnt werden. Ich darf hier nochmals auf die überzeugend begründete Entscheidung des AG München, Entscheidung vom 28. 12. 1992, Az.: UR II 600/92verweisen.