Leitsatz

Der Gesellschafter einer OHG kann aufgrund seiner gesellschafterlichen Treuepflicht gehalten sein, der von einem Mitgesellschafter aus Alters- oder Krankheitsgründen gewünschten Vorwegnahme einer im Gesellschaftsvertrag für den Fall seines Todes getroffenen Nachfolgeregelung zuzustimmen, wenn die Vorsorge für die Zukunft des Gesellschaftsunternehmens dies erfordert.

 

Sachverhalt

Der 1923 geborene Kläger und der 1931 geborene Beklagte sind die alleinigen, paritätisch beteiligten Gesellschafter der Brauerei Gebr. F. OHG. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1926 wird die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst, sondern mit einem seiner Erben fortgesetzt. Seit Anfang des Jahres 2000 möchte der Kläger sich aus Alters- und Gesundheitsgründen sowie mit Rücksicht auf ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Prozessparteien aus der Unternehmensführung zurückziehen und seinen Gesellschaftsanteil schon zu Lebzeiten auf seinen 1975 geborenen Sohn übertragen, der über einen Abschluss als Dipl.-Kaufmann verfügt, bereits ein Praktikum in einer Brauerei absolviert hat und bei einer Unternehmensberatung tätig ist. Der Beklagte, der auch mit dem Sohn des Klägers in Streit liegt, verweigert die Zustimmung zur Anteilsübertragung. Sie komme erst in Betracht, wenn seine gegenwärtig noch studierenden Söhne soweit seien, dass sie seine Geschäftsanteile und die Geschäftsführung übernehmen könnten. Der BGH gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann aufgrund seiner gesellschafterlichen Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen gehalten sein, einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zuzustimmen. Das gilt auch für einen Wechsel im Gesellschafterbestand, wenn die Änderung mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zueinander, etwa zwecks der Erhaltung der von den Gesellschaftern in gemeinsamer Arbeit geschaffenen Werte oder auch zur Sicherung der Fortführung eines Gesellschaftsunternehmens, erforderlich ist[1]. Unter diesen Voraussetzungen kann auch das fortgeschrittene Alter eines Gesellschafters zur Pflicht des Mitgesellschafters führen, der Vorwegnahme einer im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes eines Gesellschafters getroffenen Nachfolgeregelung zuzustimmen. Maßgebend ist hierbei, ob es im Interesse des Gesellschaftsunternehmens geboten ist, Vorsorge für den Fortbestand des Unternehmens zu treffen. Das ist Bestandteil der Verpflichtung zur verantwortungsbewussten Unternehmensführung, die auch den Beklagten umfassend trifft. Bereits angesichts des hohen Alters des Klägers ist diese Voraussetzung gegeben. Angesichts der – zwischen den Beteiligten unstreitigen – Qualifikation des möglichen Nachfolgers ist dem sich widersetzenden Gesellschafter die gewünschte Zustimmung auch uneingeschränkt zuzumuten.

 

Praxishinweis

Eine bloße Geschäftsführerbestellung des Sohnes des Klägers – als milderes Mittel gegenüber der Anteilsübertragung – scheidet nach Auffassung des Senats schon wegen des für Personengesellschaften geltenden Grundsatzes der Selbstorganschaft[2] aus.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 8.11.2004, II ZR 350/02

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