Leitsatz
Der Kläger begehrte von der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eine höhere Betriebsrente unter Berücksichtigung des Umstandes seiner Wiederverheiratung nach Eintritt des Versorgungsfalles.
Die erste Ehe des im Jahre 1937 geborenen Klägers wurde am 16.12.1986 unter Durchführung des Versorgungsausgleichs geschieden. Seit 1.9.1997 erhielt der Kläger von der VBL eine Versorgungsrente. Dabei wurde für die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts die Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt. Seit dem 23.4.2004 war der Kläger erneut verheiratet. Mit Schreiben vom 10.2.2005 teilte die VBL ihm unter Hinweis auf die §§ 75, 40 ihre mit Wirkung ab 1.1.2001 in Kraft getretenen neuen Satzung mit, dass - anders als nach der bisherigen Satzung - eine Neuberechnung wegen eines Steuerklassenwechsels nicht vorzunehmen sei.
Nach der von der Beklagten im ersten Rechtszug vorgelegten Fiktivberechnung hätte die Versorgungsrente des Klägers zum 1.5.2004 - ab seiner Wiederverheiratung - bei Berücksichtigung der Steuerklasse III/0 1.051,67 EUR brutto betragen und damit die tatsächlich geleistete Rente i.H.v. 583,22 EUR deutlich überstiegen.
Mit der von ihm erhobenen Klage hat der Kläger beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine Rente ab 1.5.2004 unter Berücksichtigung des Nettoarbeitsentgelts gem. der Steuerklasse III/0 zu gewähren.
Das LG wies die Klage ab. Aus dortiger Sicht hatte der Kläger keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der Steuerklasse III/0. Die VBLS n.F. enthalte insoweit eine nicht zu beanstandende Stichtagsregelung. Auch ein Härtefall liege nicht vor.
Mit der Berufung verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Sein Rechtsmittel hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten entsprechend dem von dem Kläger gestellten Hauptantrag.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, die Beklagte könne sich hinsichtlich der Berechnung der Betriebsrente des Klägers am 1.5.2004 jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht auf die Streichung des § 56 Abs. 1 S. 4 VBLS a.F. berufen. Anderenfalls würde der Kläger besonders hart und unverhältnismäßig getroffen.
Pflichtversicherte in der Situation des Klägers hätten im Zusatzversorgungssystem der Beklagten eine als Eigentum sowie nach den sich aus dem Rechtsstaatprinzip ergebenden Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit geschützte Rechtsposition erlangt. Maßgeblich sei insoweit das jeweilige Leistungsversprechen. Den Versicherten sei nach der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien gem. § 4 Abs. 1 VTV 66 eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente im Rahmen einer Gesamtversorgung zugesagt und damit der Ausgleich eines steigenden Versorgungsbedarfs in Aussicht gestellt. Diese Zusage habe die Beklagte gem. den §§ 37 Abs. 1a, 40 ff. VBLS a.F. in ihrer Satzung umgesetzt und ausgestaltet. Hierfür habe der Versicherte, bei dem der Versicherungsfall eingetreten sei, seine Gegenleistung durch die vom Arbeitgeber für sie an die Beklagte gezahlten Umlagen vollständig erbracht. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung seien Entgelte für die vom Arbeitnehmer geleistete Betriebstreue (BGH, Urt. v. 20.9.2006 - IV ZR 304/04, BGHReport 2006, 1520 = MDR 2007, 339 - unter II.3b).
Bei aktiven Beschäftigten sei das Vertrauen, bei Fortbestehen der Betriebstreue und Verbleib in der Pflichtversicherung im Versicherungsfall eine entsprechende Leistung von der Beklagten zu erhalten, grundsätzlich schutzwürdig. Dies gelte erst recht bei sog. Bestandsrentnern wie dem Kläger, die auf Veränderungen nicht mehr durch anderweitige Altersvorsorgemaßnahmen reagieren könnten.
Im vorliegenden Fall habe der Kläger grundsätzlich auf den Fortbestand der Rechtslage bei Eintritt in den Ruhestand ab 1.9.1997 vertrauen dürfen. Danach habe zum Inhalt der von ihm erlangten Rechtsposition gehört, durch eine spätere Erfüllung der Voraussetzungen des § 41 Abs. 2c S. 1a VBLS a.F. von der Regelung des § 56 Abs. 1 S. 4 VBLS a.F. Gebrauch machen und dadurch in den Genuss einer höheren Betriebsrente kommen zu können, bei der das fiktive Nettoarbeitsentgelt unter Zugrundlegung der Steuerklasse III/0 ermittelt werde.
In diese Rechtsposition sei durch die Satzungsänderung und deren Anwendung durch die Beklagte eingegriffen worden. Ein hinreichender Rechtfertigungsgrund für einen derart gravierenden Eingriff sei von der Beklagten weder dargetan worden noch ersichtlich.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.06.2007, 12 U 121/06