David Elischer, Dr. Magdalena Pfeiffer
1. Allgemeines
Rz. 75
Ist nach § 760 BGB der geschiedene Ehegatte außerstande, sich selbst zu unterhalten, und hat diese Unfähigkeit ihren Ursprung in der Ehe oder im Zusammenhang damit, so hat sein früherer Ehegatte ihm gegenüber in angemessenem Umfang eine Unterhaltspflicht. Dies gilt nur, wenn dies von ihm gerechterweise verlangt werden kann, insbesondere in Bezug auf das Alter oder den Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten zu der Zeit der Scheidung oder der Beendigung der Sorge für das gemeinschaftliche Kind der geschiedenen Ehegatten.
2. Bedürftigkeit
Rz. 76
Der Unterhaltsanspruch besteht nur, wenn der geschiedene Ehegatte nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und diese Unfähigkeit ihren Ursprung in der Ehe oder im Zusammenhang mit der Ehe hat. Dies ist insbesondere der Fall bei Pflege minderjähriger Kinder oder bei alters- oder krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit. Bei Pflege minderjähriger Kinder wird in der Gerichtspraxis die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten, i.d.R. bis zum dritten Lebensjahr des jüngsten Kindes angenommen, es sei denn, dass dieses aufgrund besonderer Umstände weiterer Pflege bedarf. Die Unfähigkeit muss grds. im Zeitpunkt der Scheidung vorliegen. Wird ein Ehegatte erst nach der Scheidung arbeitslos, besteht i.d.R. kein Unterhaltsanspruch. Ausnahmsweise kann ein Unterhaltsanspruch auch bei später entstandener Unfähigkeit bestehen, wenn die Ursachen in der Ehe wurzeln (z.B. schwere Erkrankung eines gemeinsamen Kindes).
Rz. 77
Der Unterhaltsberechtigte ist verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte für seinen Unterhalt einzusetzen. Zur Vermögensverwertung ist er allerdings nicht verpflichtet, soweit das Vermögen zur Sicherung seines eigenen, angemessenen Lebensstandards dient. Desgleichen ist der geschiedene Ehegatte grds. nicht verpflichtet, Vermögen, das er im Rahmen der Auseinandersetzung der Errungenschaftsgemeinschaft erhalten hat, für seinen Unterhalt zu verwerten, wenn der andere Ehegatte nach seinen Fähigkeiten, Möglichkeiten und Vermögensverhältnissen Unterhalt leisten kann.
3. Leistungsfähigkeit
Rz. 78
Ein Ehegatte muss seinem geschiedenen Ehegatten nur im Rahmen seiner Fähigkeiten, Möglichkeiten und Vermögensverhältnisse Unterhalt leisten. Bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit hat das Gericht zu prüfen, ob der Verpflichtete ohne wichtigen Grund Vermögen verschwendet hat bzw. mit diesem risikoreich verfahren ist, und ob er grundlos eine lukrativere Anstellung oder Tätigkeit aufgegeben hat (§ 913 BGB). Das Finanzamt erteilt im Unterhaltsverfahren auf Anfrage des Gerichts Auskunft über die Steuerbemessungsgrundlagen, die jedoch nichts über die tatsächlichen Vermögensverhältnisse des Unterhaltsverpflichteten aussagen.
Weist der unterhaltspflichtige Ehegatte dem Gericht seine Unterhaltverhältnisse nicht ordnungsgemäß nach, gilt, dass sein durchschnittliches monatliches Einkommen das Fünfundzwanzigfache des Betrags des Lebensminimums eines Einzelnen nach einer sonstigen Rechtsvorschrift beträgt (3.860 CZK).
4. Höhe des Unterhalts
Rz. 79
Der geschiedene Ehegatte hat lediglich einen Anspruch auf angemessenen Unterhalt. Anders als bei Kindes- und Ehegattenunterhalt während bestehender Ehe besteht kein Anspruch auf Beibehaltung der ehelichen Verhältnisse. Was unter "angemessenem Unterhalt" zu verstehen ist, hängt von der konkreten Beurteilung eines jeden Einzelfalles ab. Nach § 760 Abs. 2 BGB hat das Gericht bei der Entscheidung über den Unterhalt oder über seine Höhe zu berücksichtigten, wie lange die geschiedene Ehe gedauert hat und wie lange sie geschieden ist, sowie ob
a) |
sich der geschiedene Ehegatte nicht eine angemessene Beschäftigung besorgt hat, obwohl er daran durch kein wichtiges Hindernis gehindert war, |
b) |
der Ehegatte den Unterhalt durch ordnungsgemäßes Wirtschaften mit seinem eigenen Vermögen sicherstellen konnte, |
c) |
sich der geschiedene Ehegatte während der Ehe an der Pflege der häuslichen Gemeinschaft beteiligt hat, |
d) |
der geschiedene Ehegatte gegenüber seinem früheren Ehegatten oder einer ihm nahestehenden Person nicht eine Tat begangen hat, die den Charakter einer Straftat hat, oder |
e) |
ein anderer ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt. |
Rz. 80
Ausnahmsweise kann einem geschiedenen Ehegatten ein (erweiterter) Unterhaltsanspruch zuerkannt werden, dessen Höhe sich nach den ehelichen Verhältnissen richtet. Voraussetzung ist, dass der geschiedene Ehegatte an der Zerrüttung der Ehe durch Verletzung der ehelichen Pflichten keinen überwiegenden Anteil hatte und durch die Scheidung einen schweren Schaden erleidet (§ 762 BGB). In der Praxi...