Rz. 66
Das Pflichtteilsrecht gewährt dem Pflichtteilsberechtigten eine dingliche Beteiligung am Nachlass. Das Pflichtteilsrecht wird aber nicht von Amts wegen berücksichtigt, sondern muss durch Herabsetzungsklage geltend gemacht werden. Der Pflichtteilsberechtigte lässt die testamentarischen Verfügungen soweit herabsetzen, bis seine Noterbquote wiederhergestellt ist. Das Recht auf Erhebung der Herabsetzungsklage ist nach Ablauf eines Jahres verwirkt. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Noterben von den beeinträchtigenden Verfügungen. Die Verwirkung tritt aber spätestens zehn Jahre (nach altem Recht fünf) nach Eröffnung der letztwilligen Verfügung bzw. bei lebzeitigen Verfügungen nach Eintritt des Erbfalls ein, Art. 571 ZGB (zuvor Art. 513 ZGB). Nach Verwirkung kann das Herabsetzungsrecht nur noch einredeweise geltend gemacht werden.
Rz. 67
Führt auch die Herabsetzung der testamentarischen Verfügungen nicht zur vollständigen Wiederherstellung der Pflichtteile, werden die lebzeitigen Schenkungen in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge herabgesetzt, insb. Zuwendungen auf den Erbteil und Ausstattungen, Erbabfindungen, widerrufliche Schenkungen, Schenkungen, die der Erblasser in seinem letzten Lebensjahr vorgenommen hat, sowie in Umgehungsabsicht vorgenommene Schenkungen, Art. 565 ZGB (zuvor Art. 507 ZGB).
Rz. 68
Klageberechtigt sind auch die Konkursverwaltung eines Erben oder dessen Gläubiger, die zur Zeit des Erbganges Vollstreckungstitel mit Zahlungsunfähigkeitsbescheinigung besitzen, wenn der Erblasser den verfügbaren Teil zum Nachteil des Erben überschritten hat und dieser trotz ihrer Aufforderung hin keine Klage erhebt. Gegenüber einer Enterbung, die der Enterbte nicht anficht, besteht die gleiche Klagebefugnis (Art. 562 Abs. 1 ZGB). Für diese Kläger gelten die gleichen Klagefristen, die den Pflichtteilsberechtigten zustehen (Art. 562 Abs. 2 ZGB). Das rechtskräftige Herabsetzungsurteil wirkt als Gestaltungsurteil unmittelbar auf bestehende Rechtsverhältnisse. Er wirkt auch ex tunc, so dass der Pflichtteilsberechtigte rückwirkend zum Miterben wird.
Rz. 69
Zu beachten ist, dass gem. § 15 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens für Pflichtteilsklagen die Gerichte des Heimatstaates, bzgl. unbeweglichen Vermögens die des Belegenheitsstaates, ausschließlich zuständig sind. Deutsche Gerichte sind also unzuständig, wenn es um den Pflichtteil an dem beweglichen Nachlass eines türkischen Erblassers geht. Die Ausstellung eines Fremdrechtserbscheins ist allerdings zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Prozess- und Nachlassgerichte fehlt ebenfalls für den aus den türkischen Immobilien bestehenden Spaltnachlass nach einem deutschen Erblasser.
Der BGH beschränkt die Anwendung des § 15 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens auf bestimmte Bereiche: "Die Zuständigkeit nach dieser Norm setzt also voraus, dass Gegenstand des Rechtsstreits die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen oder Pflichtteilsansprüche sind."