Rz. 94
Zwischen den beiden Extrempositionen der Annahme und Ausschlagung der Erbschaft gibt es zwei weitere Möglichkeiten zur Haftungsbegrenzung bzw. zum Haftungsausschluss. Entscheiden sich die Erben für die amtliche Liquidation, schließen sie damit ihre persönliche Haftung aus. Diese ist jedoch nur dann möglich, wenn sich alle Miterben für die amtliche Liquidation entscheiden (Art. 632 Abs. 2 ZGB).
Rz. 95
Statt der amtlichen Liquidation können die Erben auch binnen eines Monats ab dem Erbfall beim Friedensgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers die Aufnahme des Inventars verlangen (Art. 619 Abs. 1, 2 ZGB). Für die Aufnahme des Inventars genügt der Antrag eines einzigen Erben (Art. 619 Abs. 3 ZGB). In diesem Falle beschränkt sich die Haftung aller Erben auf die Schulden, die ins Inventar aufgenommen worden sind (Art. 628 ZGB). Die Erben haften gegenüber den Gläubigern, die ihre Forderungen trotz des Rechnungsrufs des Friedensgerichts durch öffentliche Auskündigung (Art. 621 ZGB) nicht ins Inventar aufnehmen lassen (Art. 629 Abs. 1 ZGB) weder mit dem Nachlass noch mit ihrem persönlichen Vermögen. Trifft die Gläubiger bei dieser Versäumnis keine Schuld, haften die Erben, soweit sie aus der Erbschaft bereichert sind (Art. 629 Abs. 2 ZGB). Nach Abschluss des Inventars wird jeder Erbe von dem zuständigen Friedensgericht aufgefordert, innerhalb Monatsfrist sich über den Erwerb der Erbschaft zu erklären (Art. 626 Abs. 1 ZGB). Schlägt er innerhalb der Frist weder die Erbschaft aus noch verlangt er die amtliche Liquidation, so wird nach Fristablauf angenommen, dass der Erbe die Erbschaft unter dem Vorbehalt des öffentlichen Inventars annimmt (Art. 627 ZGB).
Rz. 96
Da die Nachlassabwicklung ein sehr folgenreiches Rechtsverfahren ist, muss im Falle eines Interessenkonflikts zwischen der gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen und dem Minderjährigen ein Pfleger bestellt werden (Art. 426 Abs. 2 ZGB). Die Türkei ist ebenso wie Deutschland Vertragspartei des Haager Minderjährigenschutzabkommens (MSA). Gemäß Art. 1 und 4 MSA hat sowohl das Heimatland, aber auch das Aufenthaltsland des Minderjährigen das Recht und die Pflicht, die nötigen Maßnahmen zum Schutze des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. Die Zivilstandsbeamten, Verwaltungsbehörden, Notare und Gerichte haben die zuständige Vormundschaftsbehörde über die minderjährigen Kinder zu informieren, die sich nicht unter elterlicher Sorge befinden (Art. 404 ZGB; Art. 6 Erbgangsverordnung). Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes wegen den Pflichtteil des Kindes von der elterlichen Verwaltung ausnehmen und einem Dritten übertragen und diesen Dritten zur periodischen Berichterstattung gegenüber dem Friedensgericht anhalten (Art. 358 ZGB).