Rz. 41
Unter Mitwirkung von zwei Zeugen erfolgt die öffentliche letztwillige Verfügung vor dem "offiziellen Beamten", Friedensgericht, Notar oder einem anderen Beauftragten, der nach dem Gesetz mit diesen Geschäften betraut ist (Art. 532 ZGB). Was mit dem "offiziellen Beamten" gemeint ist, wird in der Literatur möglicherweise zu einem lebendigen Streit führen. Dabei gibt es eine einfache Erklärung: Der Gesetzgeber wollte bei der Reform keine inhaltlichen Änderungen zu diesem Artikel vornehmen. Bei der Angleichung des Wortlauts an das schweizerische ZGB (Art. 499 schwZGB) hat sich der türkische Gesetzgeber in einen unsinnigen Wortsalat begeben. Der Konsul gehört zu den "Beauftragten", die nach dem Gesetz mit diesen Geschäften betraut sind (siehe auch Art. 16 Deutsch-Türkischer Konsularvertrag).
Rz. 42
Der "Beamte" sorgt dafür, dass das Testament nach dem Willen des Testierenden verfasst, von dem Testierenden gelesen und unterschrieben wird (Art. 533 ZGB). Kann der Testierende das Testament nicht lesen und unterschreiben, ist das Testament durch den Beamten in Gegenwart der beiden Zeugen zu verlesen (Art. 535 ZGB). Die Zeugen haben nicht nur die Erklärung des Testierenden zu bezeugen, sondern auch, dass der Testierende nach ihrer Wahrnehmung verfügungsfähig ist und ihm das Testament ggf. vorgelesen worden ist (Art. 534, 535 ZGB). Fehlt die Bemerkung im Testament, dass die Zeugen es bezeugen, dass das Testament bei deren Gegenwart vorgelesen worden ist, ist das Testament ungültig.
Rz. 43
Handlungsunfähige Personen oder Personen, die durch Strafurteil für öffentliche Ämter als untauglich erklärt worden sind, Analphabeten, der Ehegatte des Erblassers, Verwandte in gerader Linie, die Geschwister des Erblassers sowie deren Ehegatten können bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments weder als Beamte noch als Zeugen mitwirken (Mitwirkungsverbot, Art. 536 Abs. 1 ZGB). Folgende Personen, die bei der Beurkundung der öffentlichen Verfügung mitgewirkt haben, dürfen mit dieser Verfügung nicht bedacht werden: der beurkundende Beamte, Zeugen, Blutsverwandte in gerader Linie und Geschwister oder Ehegatten dieser Personen (Art. 536 Abs. 2 ZGB). Die Missachtung des Mitwirkungsverbots begründet eine Anfechtungsklage (Art. 557 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Art. 558 Abs. 3 ZGB).
Rz. 44
Ein öffentliches Testament vor dem türkischen Beamten muss in türkischer Sprache verfasst werden. Kann der Testierende kein Türkisch, hat der Beamte einen Dolmetscher heranzuziehen. Bei anderen Arten des Testaments gibt es keinen Sprachenzwang. Das türkische Privatrecht kennt grundsätzlich keine Obliegenheit, sich der türkischen oder einer anderen Sprache zu bedienen. Das ist auch einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung und gilt sowohl für das Testament als auch für Verträge: "Weil keine Obliegenheit dazu besteht, ein Testament auf Türkisch zu schreiben, berührt es dessen Gültigkeit nicht, dass der Erblasser sein Testament eigenhändig auf Französisch verfasst hat." In einem anderen früheren Urteil entschied der türkische Kassationshof, dass die Tatsache, dass ein Testament mit arabischen Buchstaben geschrieben worden ist, dieses nicht ungültig macht.
Rz. 45
Die Verwahrung der öffentlichen Verfügung obliegt dem Beamten, der die Beurkundung vorgenommen hat (Art. 537 ZGB). Diese Verwahrungsmöglichkeit ist auch für Ausländer zugänglich, wenn es auch wenig praktikabel ist, weil Ausländer nicht in das Personenstandsregister (Zivilstandesregister) eingetragen werden. Selbst auf Dauer in der Türkei sich aufhaltenden deutschen Staatsbürgern ist daher zu empfehlen, ihr öffentliches Testament bei der deutschen Vertretung in der Türkei zu errichten. Dazu sind die deutschen Konsularbeamten ermächtigt. Das Amtsgericht Schöneberg in Berlin ist für die besondere amtliche Verwahrung der Testamente von Auslandsdeutschen zuständig. Jedoch kann der Testierende jederzeit die Verwahrung bei einem anderen Amtsgericht verlangen. Für Ausländer, die länger als sechs Monate in der Türkei sind, wird ein besonderes Register angelegt, in das alle für den Familienstand relevanten Ereignisse eingetragen werden (Art. 8 PStG).