Rz. 47

Das türkische Recht kennt neben den bisher behandelten ordentlichen Testamentsformen als außerordentliche Testamentsart das mündliche Testament (Art. 539 Abs. 1 ZGB). Diese Art der Testamentsform ist zulässig, wenn eine im Gesetz näher beschriebene Notlage gegeben ist, in der der Erblasser kein öffentliches oder eigenhändiges Testament errichten kann. Als eine solche Ausnahmesituation zählt das Gesetz die nahe Todesgefahr, eine Absperrung, Krankheit[88] oder Kriegsereignisse nicht abschließend auf. Das ZGB hat die Geltungsdauer des außerordentlichen Testaments eingeschränkt, um damit der Gefahr eines Missbrauchs vorzubeugen. Wird es dem Erblasser nachträglich möglich, sich einer der anderen Verfügungsformen zu bedienen, so verliert nach einem Monat, von diesem Zeitpunkt an gerechnet, die mündliche Verfügung ihre Gültigkeit (Art. 541 ZGB).

 

Rz. 48

Der Erblasser muss seinen letzten Willen vor zwei Zeugen erklären und diese damit beauftragen, seiner letztwilligen Verfügung die nötige Beurkundung zu verschaffen (Art. 539 Abs. 2 ZGB). Für die Wirksamkeit des mündlichen Testaments gelten – mit Ausnahme der Lese- und Schreibkundigkeit – dieselben Mitwirkungsvoraussetzungen wie für die Zeugen beim öffentlichen Testament (Art. 539 Abs. 3 ZGB). Die Zeugen haben die mündliche letztwillige Verfügung unter Angabe von Ort, Tag, Monat, Jahr in Schriftform niederzulegen und zu unterschreiben. Dieses Schreiben haben beide Zeugen unverzüglich und mit der Erklärung, dass der Erblasser diese Angaben im Zustand der Verfügungsfähigkeit und in einer Ausnahmesituation gemacht hat, dem Gericht zu übergeben (Art. 540 Abs. 1 ZGB). Die Zeugen können diese Erklärung auch bei einem Gericht direkt zu Protokoll geben (Art. 540 Abs. 2 ZGB). Anstelle des Gerichts ist zuständig:

bei einem Erblasser im Militärdienst: ein Offizier im Leutnants- oder höheren Rang;
bei einem Erblasser, der in einem Verkehrsmittel im Ausland unterwegs ist: der jeweilige verantwortliche Verwalter des Verkehrsmittels;
bei einem Erblasser, der sich in stationärer Behandlung befindet: der höchstrangige Direktor der Anstalt (Art. 540 Abs. 3 ZGB).
[88] In Art. 506 des schweizerischen ZGB und in Art. 486 des alten türk. ZGB hieß es nicht "Krankheit", sondern "Epidemien". Der türkische Gesetzgeber stellt lediglich darauf ab, dass der Erblasser keine der anderen beiden Möglichkeiten hat, um seinen letzten Willen abzugeben. Siehe amtliche Begründung des Art. 539 ZGB.

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