Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 190
Gemäß Art. 540 Abs. 1 HGB a.F. hatten die Gesellschafter gemeinsam die Gesellschaft vertreten. Das war hilfreich und klar, wenn aus irgendwelchen Gründen die Geschäftsführung abhandengekommen ist. Das HGB 2012 hat auf diese Regelung verzichtet und mit Art. 623 ff. HGB ein etwas anderes System eingeführt. Hier ist nicht mehr von der gemeinsamen Vertretungsbefugnis der Gesellschafter, sondern nur noch von Geschäftsführern (müdür) die Rede, die aus der Reihe der Gesellschafter oder als Fremdgeschäftsführer bestimmt werden können. Die Satzung kann also die Gesellschafter auch zur Geschäftsführung machen. In jedem Falle soll ein Gesellschafter immer Geschäftsführungsbefugnisse haben müssen (Art. 623 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Praxis der Handelsregister macht daraus – nach Auffassung des Autors zu Unrecht – das Erfordernis, dass mindestens ein Gesellschaftergeschäftsführer vorhanden sein muss; diese Auffassung, die eigentlich vermieden werden sollte, führt zu unnötigen Schwierigkeiten, z.B. im Falle des Todes des Gesellschaftergeschäftsführers.
Rz. 191
Natürliche Personen können zu Geschäftsführern bestellt werden, wenn sie volljährig sind. Geschäftsführer müssen nicht über die türkische Staatsangehörigkeit, bestimmte Abschlüsse oder Spezialisierungen verfügen. Es können auch juristische Personen Geschäftsführer werden; diese bestimmen dann die Person, welche im Namen der juristischen Person die Befugnisse ausübt (Art. 623 Abs. 2 HGB). Die Person ist als Vertreter der geschäftsführenden juristischen Person dem Handelsregister zu melden. Die vertretende Person muss keine geschäftsführende Funktion bei der geschäftsführenden juristischen Person haben, aber durch Gesellschafterbeschluss dazu benannt und entsprechend ermächtigt worden sein.
Rz. 192
Grundsätzlich ergeben sich die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers aus dem Gesetz. Es können jedoch dazu auch Regelungen in der Satzung getroffen werden. Um sich nicht dem Erfordernis satzungsändernder Mehrheiten auszusetzen, wird es sich aber in der Regel empfehlen, es in der Satzung bei allenfalls rudimentären Regelungen zu belassen und die Rechte und Pflichten im Einzelnen im Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers oder im Geschäftsführervertrag festzulegen.
Rz. 193
Rechtsanwälte sind gem. Art. 11 des Anwaltsgesetzes in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beschränkt. Sie dürfen insbesondere auch nicht als Kaufleute tätig werden. Liest man die entsprechende Bestimmung mit Art. 12 des Anwaltsgesetzes zusammen, der die Ausnahmen von Art. 11 bestimmt und ausdrücklich die Übernahme des Vorsitzes und die Mitgliedschaft in einem Vorstand der Aktiengesellschaft erlaubt, so wird hieraus in der Praxis geschlossen, dass die Übernahme eines Geschäftsführerpostens durch einen Rechtsanwalt nicht erlaubt ist.
Rz. 194
Ausländer können Geschäftsführer werden. Die ursprünglich eingeführte Bestimmung, Art. 628 HGB, dass mindestens ein Geschäftsführer mit unbeschränkter Vertretungsmacht seinen Wohnsitz in der Türkei haben müsse (Residenzpflicht), wurde kurz vor dem Inkrafttreten des HGB wieder gestrichen. Es empfiehlt sich naturgemäß, wenn die Gesellschaft vom Ausland aus gesteuert werden soll, hierfür einen oder mehrere Handlungsbevollmächtigte vor Ort einzusetzen, die durch Entziehung der Vollmacht erforderlichenfalls schnell wieder durch die Geschäftsführung entpflichtet werden können.
Rz. 195
Was die Anzahl der Geschäftsführer anbelangt, so sind dieser gesetzlich keine Grenzen gesetzt. Art. 624 HGB sieht vor, dass bei mehreren Geschäftsführern ein Hauptgeschäftsführer ("Vorsitzender der Geschäftsführung") zu ernennen ist. Er hat von Gesetzes wegen die Funktion eines Sprechers (Art. 624 Abs. 2 HGB).