Rz. 181
Haben die Parteien unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, müssen sie i.d.R. die Adoptionsvoraussetzungen nach dem jeweiligen nationalen Recht erfüllen. Es müssen also die Voraussetzungen beider Rechtssysteme erfüllt sein. Dies ist in Fällen von deutsch-türkischen Adoptionen relevant. Die Türkei hat bereits im Jahre 2004 das Haager Adoptionsübereinkommen ratifiziert. Die Türkei verankert einerseits die Volladoption, andererseits wird das Verhältnis des Adoptivkindes zu seinen leiblichen Eltern nicht vollständig abgebrochen. Das Adoptivkind bleibt weiterhin auch Erbe seiner leiblichen Eltern. Kinderlosigkeit ist keine Voraussetzung für die Adoption. Diese Schlussfolgerung lassen die Regelungen des Art. 305 Abs. 2 und Art. 313 türkZGB zu.
Rz. 182
Die gemeinschaftliche Adoption durch Ehegatten ist vom türkischen Gesetzgeber als Regelfall vorgesehen. Die Ehegatten müssen das 30. Lebensjahr vollendet haben. Anderenfalls müssen sie seit mindestens fünf Jahren miteinander verheiratet sein (Art. 306 Abs. 1 und 2 türkZGB).
Rz. 183
Eine gemeinschaftliche Adoption durch nichtverheiratete Paare ist nicht gestattet (Art. 306 Abs. 1 türkZGB). Verheiratete Personen dürfen nur dann alleine adoptieren, wenn sie eine der folgenden Fälle nachweisen können: Der andere Ehegatte ist dauerhaft urteilsunfähig oder seit mehr als zwei Jahren mit unbekanntem Aufenthalt. Oder die Ehegatten leben seit mehr als zwei Jahren mit einer gerichtlichen Entscheidung getrennt (Art. 307 Abs. 2 türkZGB). Nichtverheiratete Personen dürfen alleine adoptieren, wenn sie das 30. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 307 Abs. 1 türkZGB).
Rz. 184
Die Reform des türkZGB schließt die Privatadoption aus und lässt die Adoptionsvermittlung nur durch hierfür zugelassene Institutionen zu (Art. 320 türkZGB).
Rz. 185
Die Adoption durch einen türkischen Staatsangehörigen hat keinen Einfluss auf die Staatsangehörigkeit des Adoptierten. Ein minderjähriger Adoptierter wird nur dann mit der Adoption automatisch die türkische Staatsangehörigkeit erhalten, wenn er staatenlos ist oder seine Eltern entweder nicht auffindbar oder unbekannten Aufenthalts sind (Art. 3 türkStAG).
Rz. 186
Die Adoption von Minderjährigen wird im türkZGB zum Schutze des Kindes institutionalisiert. Minderjährige dürfen nur dann adoptiert werden, wenn die Adoptiveltern sie vorher mindestens ein Jahr lang gepflegt haben (Art. 305 Abs. 1 türkZGB). Die Adoption darf die Interessen der anderen Kinder des Adoptierenden nicht in unbilliger Weise verletzen (Art. 305 Abs. 2 türkZGB). Die Adoptiveltern müssen mindestens 18 Jahre älter sein als das Adoptivkind, die Zustimmung des urteilsfähigen Kindes muss vorliegen (Art. 308 Abs. 1 und 2 türkZGB) und die Zustimmung der leiblichen Eltern muss beim Gericht am Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes protokolliert sein (Art. 309 türkZGB).
Rz. 187
Ist ein Vormund bestellt, so kann die Adoption ohne Rücksicht auf die Urteilsfähigkeit des Kindes mit Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde erfolgen (Art. 308 Abs. 3 türkZGB). Es ist eindeutig, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine Übernahme des Art. 265 Abs. 3 schwZGB handelt: "Ist es [das Kind] bevormundet, so kann, auch wenn es urteilsfähig ist, die Adoption nur mit Zustimmung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde erfolgen." Jedoch ist diese Übernahme nicht ganz gelungen. Die schweizerische Regelung sieht eine sukzessive Zustimmung durch das urteilsfähige, bevormundete Kind und die Aufsichtsbehörde vor. Die türkische Regelung reduziert dies auf die Zustimmung der Aufsichtsbehörde.
Rz. 188
Die Adoption von Volljährigen oder eines Mündels ist auch für die Adoptiveltern möglich, die selbst Nachkommen haben, soweit das Einverständnis des Nachkommens vorliegt. Art. 313 türkZGB enthält hierfür die folgende Regelung:
Zitat
Art. 313 türkZGB Adoption Volljähriger und von Mündeln
Mit der offenkundigen Zustimmung der Nachkommen des Adoptierenden darf eine volljährige Person oder ein Mündel adoptiert werden,
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wenn sie infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauerhaft hilfsbedürftig ist und die Adoptiveltern ihr mindestens fünf Jahre lang Pflege erwiesen haben; |
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wenn ihnen während ihrer Minderjährigkeit die Adoptiveltern wenigstens fünf Jahre lang Pflege und Erziehung erwiesen haben; |
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wenn andere wichtige Gründe vorliegen und die zu adoptierende Person seit mindestens fünf Jahren mit den Adoptiveltern in Hausgemeinschaft gelebt hat. |
Rz. 189
Eine verheiratete Person kann nur mit Zustimmung ihres Ehegatten adoptiert werden. Im Übrigen finden die Bestimmungen über die Adoption Minderjähriger entsprechende Anwendung.
Rz. 190
Diese Regelungsfülle wird insbesondere die Auslandsadoptionen komplizierter gestalten. Die ausländerrechtlichen Regelungen der europäischen Länder erlauben eine Familienzusammenführung i.d.R. erst dann, wenn das Kindesverhältnis feststeht. Um die einjährige Pflegezeit zu ermöglichen, kann die Erteilung ein...