1. Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge
Rz. 16
Gesetzliche Erben nach türkischem Recht sind nach der Systematik des ZGB die Blutsverwandten des Erblassers (eheliche und außereheliche Kinder, Eltern und Großeltern, Art. 495–498 ZGB), der überlebende Ehegatte (Art. 499 ZGB), das Adoptivkind des Erblassers (Art. 500 ZGB) und schließlich der Staat (Art. 501 ZGB). Diese werden – wie es das deutsche Erbrecht auch kennt (§§ 1924 ff. BGB) – in Ordnungen (Parentelensystem) Erben des Erblassers eingeteilt. Die Angehörigen der näheren Ordnung schließen grundsätzlich die Angehörigen der entfernteren Ordnung von der gesetzlichen Erbfolge aus. Innerhalb der Ordnung erfolgt die Beerbung nach Stämmen. Die Nachkommen schließen die Eltern und die Eltern (oder deren Nachkommen) schließen die Großeltern des Erblassers von der Erbfolge aus. Fällt eine Person als Erbe wegen Vorversterbens (Art. 495 Abs. 2 ZGB), Enterbung (Art. 511 Abs. 2 ZGB), Erbunwürdigkeit (Art. 579 Abs. 2 ZGB) oder Ausschlagung der Erbschaft (Art. 611 ZGB) weg, so treten ihre Nachkommen an ihre Stelle (Eintrittsprinzip). Gleiche Prinzipien der deutschen Familienerbfolge, wie die Gleichheit zwischen den Linien, das Eintrittsprinzip und das Anwachsungsprinzip (Akkreszens), gelten in der türkischen gesetzlichen Erbfolge.
2. Nachkommen des Erblassers
Rz. 17
Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge, Art. 495 ZGB (zuvor Art. 439 ZGB). Seit der Entscheidung des Verfassungsgerichts von 1987 erben eheliche und uneheliche Abkömmlinge zu gleichen Teilen (Art. 498 ZGB). Die Verwandtschaft der außerehelichen Kinder muss entweder durch Anerkennung oder durch richterliche Entscheidung (Art. 301 ff. ZGB) feststehen. Die Anerkennung der Vaterschaft kann auch durch ein Testament erfolgen (Art. 295 ZGB).
3. Adoptivkinder
Rz. 18
Adoptierte Personen erben doppelt: Adoptivkinder und deren Nachkommen beerben den Adoptierenden und seine Blutsverwandten und beerben zugleich ihre biologischen Eltern (Art. 500 Abs. 1 ZGB), da ihre Verwandtschaft zu ihren biologischen Eltern andauert (Art. 314 Abs. 2 ZGB). Der Adoptierende und seine Verwandten können dagegen das Adoptivkind nicht beerben. Die Erbeneigenschaft des Adoptivkindes ist aber in einer Hinsicht begrenzt: Das Adoptivkind kann nur Erbe des Adoptierenden sein, nicht jedoch der Verwandten des Adoptierenden. Dieses einseitige Recht des als Adoptivkind Angenommenen und seiner Nachkommen besteht ausschließlich gegenüber der annehmenden Person, nicht dagegen nach deren Aszendenten oder Seitenverwandten, und solange die Adoption keine "gemeinsame" gewesen ist, auch nicht nach dem Ehegatten. Das heißt, dass der Angenommene im Stamm nicht an die Stelle des Adoptierenden treten kann (Art. 500 Abs. 1 S. 1 ZGB).
4. Eltern
Rz. 19
Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers. Leben beide Elternteile, erben diese zu gleichen Teilen. Ein Vorverstorbener oder aus einem anderen Grund (z.B. Erbausschlagung) nicht in Betracht kommender Elternteil wird dabei durch seine Abkömmlinge repräsentiert, Art. 496 ZGB (zuvor Art. 440 ZGB). Sind keine Abkömmlinge vorhanden, fällt der gesamte Nachlass dem anderen Elternteil zu (Art. 496 Abs. 3 ZGB).
5. Großeltern
Rz. 20
In dritter und letzter Ordnung erben die Großeltern bzw. deren Abkömmlinge, Art. 497 ZGB (zuvor Art. 441 ZGB). Das Parentelensystem funktioniert hier gleichermaßen wie bei den Kindern oder Eltern.
6. Ehegatte
a) Erbrechtliche Position des Ehegatten
Rz. 21
Der Ehegatte hat ein konkurrierendes Erbrecht gegenüber anderen gesetzlichen Erben. Er erbt neben Abkömmlingen (Erben erster Ordnung) ein Viertel, neben Erben der zweiten Ordnung (Eltern bzw. deren Abkömmlingen) die Hälfte und neben Großeltern und deren Abkömmlingen drei Viertel; sind auch keine Großelternteile vorhanden, wird der Ehegatte Alleinerbe, Art. 499 ZGB (zuvor Art. 444 Abs. 1 ZGB).
Rz. 22
Die sog. variable Erbquote des Ehegatten existiert seit dem Jahre 1990 nicht mehr. Zuvor...