Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 208
Die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft erfolgt durch einen oder mehrere Geschäftsführer. Sie sind gesetzliche Vertreter. Insoweit erstreckt sich die Vertretungsbefugnis auf alle Handlungen und Tätigkeiten, begrenzt durch den Gesellschaftszweck. Während sich die Vertretungsbefugnis als solche aus dem Gesetz ergibt, ergibt sich ihr Umfang aus der Satzung, wie sie eingetragen und veröffentlicht worden ist.
Rz. 209
Beschränkungen der Vertretungsbefugnis gelten zunächst nur einmal im Innenverhältnis. Ein Verstoß macht den Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig, hat aber zunächst keine Auswirkung auf das mit mangelnder Vertretungsbefugnis abgeschlossene Geschäft. Ist allerdings die andere Partei nicht gutgläubig, hat sie also positive Kenntnis von der fehlenden Befugnis, so kann das Geschäft angefochten werden (Art. 629 Abs. 1 i.V.m. Art. 371 HGB). Außenwirkung entfaltet die Beschränkung jedoch, wenn die Gesellschaft Niederlassungen hat und die Vertretungsbefugnis auf den Hauptsitz oder eine oder mehrere Niederlassungen beschränkt werden soll. In der Praxis werden den Geschäftspartnern daher Mitteilungen über Beschränkungen von Vertretungsbefugnissen gemacht, etwa indem der Bank eine Abschrift des Gesellschafterbeschlusses nebst Unterschriftenzirkular übermittelt wird, um zu verhindern, dass der Geschäftsführer Abhebungen vornimmt, die seine Befugnisse sprengen.
Rz. 210
Grundsätzlich kann der Geschäftsführer auch Eigengeschäfte abschließen. Das türkische Recht kennt kein allgemeines Selbstkontrahierungsverbot, wie es § 181 BGB stipuliert. Allerdings gilt für den GmbH-Geschäftsführer wie für das Vorstandsmitglied in der Aktiengesellschaft, dass er mit der Gesellschaft weder in eigenem Namen noch im Namen eines Dritten Verträge abschließen darf, soweit diese den Gesellschaftsgegenstand betreffen. Von diesem besonderen Selbstkontrahierungsverbot kann der Geschäftsführer indes durch Gesellschafterbeschluss befreit werden (Art. 395 HGB analog). Ein Selbstkontrahierungsverbot für Gesellschafter kennt das Gesetz nicht. Ein allgemeines Selbstkontrahierungsverbot ist mit dem Gesetz nicht begründbar. Am Ende empfiehlt sich, insoweit Regelungen in der Satzung oder im Geschäftsführervertrag zu treffen.
Rz. 211
Vertretungsbefugnisse können auch auf andere Personen als die Geschäftsführer übertragen werden. In Betracht kommt etwa der "Prokurist" (ticari temsilci; [früher: ticari mümessil], Art. 547 ff. OGB) oder der "Handlungsbevollmächtigte" (ticari vekil, Art. 551 ff. OGB). Der Prokurist hat – im Rahmen des Gesellschaftszwecks – weitreichende Befugnisse, die denjenigen des Geschäftsführers sehr nahe kommen können. Die Prokura ist im Handelsregister einzutragen. Die Eintragung ist deklaratorischer Natur; vor der Eintragung eingegangene Rechtsgeschäfte sind jedenfalls wirksam. Die Prokura umfasst von Gesetzes wegen die Befugnis, Wechselverbindlichkeiten einzugehen, für Grundstücksgeschäfte dagegen bedarf es einer Sondervollmacht (Art. 548 OGB). Die Vertretungsmacht des Prokuristen kann allerdings auf eine Niederlassung oder derart begrenzt sein, dass er nur gemeinsam mit einer anderen Person wirksam die Gesellschaft soll vertreten können. Der Entzug der Prokura ist ebenfalls eintragungsbedürftig. In der Praxis empfiehlt es sich, den Entzug der Prokura auch direkt den Geschäftspartnern anzuzeigen.
Rz. 212
Dagegen sind Handlungsbevollmächtigte Personen, die keine so weitgehenden Vertretungsbefugnisse haben. Ihre Vertretungsbefugnis umfasst sämtliche gewöhnlichen Geschäfte des Unternehmens und darüber hinaus auch einige klar bezeichnete weitere Aufgaben (Art. 551 Abs. 2 OGB). Die Bestellung und Abberufung ist nicht eintragungs- oder bekanntmachungspflichtig. Für nicht alltägliche Geschäfte wie etwa die Aufnahme von Krediten, für Wechselgeschäfte, zur Durchführung von Gerichtsverfahren oder zu Immobiliengeschäften muss der Handlungsbevollmächtigte gesondert bevollmächtigt werden.
Rz. 213
Der Nachweis der Vollmacht eines Vertreters kann mit der Eintragung ins Register geführt werden. Ebenso ist der Nachweis mit der auf den Vertreter ausgestellten Vollmacht möglich. Im Übrigen sind auf die Vertreter der GmbH, die nicht Geschäftsführer sind, die allgemeinen Vorschriften über die Stellvertretung anwendbar (Art. 40 ff. OGB).
Rz. 214
Die vertragliche Einräumung von Vertretungsbefugnissen – etwa an den Rechtsanwalt oder Steuerberater – erfolgt auf der Grundlage der Vorschriften über den "Auftrag" (vekalet sözleşmesi, Art. 502 ff. OGB). Zu beachten ist hier, dass diese Bestimmungen eher den "Geschäftsbesorgungsvertrag" (§ 675 BGB) bezeichnen denn den "Auftrag" i.S.d. §§ 662 ff. BGB.