Rz. 152
Morgengabe (Mehr = Mehir), "Brautgeld" (Başlık), Mitgift (Ceyiz)
Es gibt in der Türkei und im türkischen Recht mehrere Begrifflichkeiten für die Leistungen (ob Geld oder Wertgegenstand), die von der Bräutigamseite an die Brautseite im Hinblick auf die Heirat erbracht werden. Die Begriffe hierfür sind zahlreich:
Mehr: Der Wertgegenstand, den der Mann der Frau nach dem islamischen Recht übergibt oder auszahlt, für die Rechte, die er über die Frau erlangt.
Insgesamt sind vier Arten von Mehr bekannt:
1. |
Mehr-i Müsemma: Der Wert des Mehr ist bestimmt. |
2. |
Mehr-i Misil: Ein Mehr ist vereinbart, aber nicht nach der Höhe der Leistung. In diesem Fall wird der Frau eine ihrem sozialen Status entsprechende (unter ihren Familienangehörigen und Verwandten übliche) Leistung gewährt. |
3. |
Mehr-i Muaccel: Das Mehr wird vor der Vermählung ausbezahlt/ausgehändigt. |
4. |
Mehr-i Müeccel: Das Mehr wird nach der Vermählung oder nach der Scheidung an die Frau ausbezahlt/ausgehändigt. |
Rz. 153
Daneben existieren folgende Bezeichnungen: Baslik Parası (Brautgeld/Morgengabe), Süt Hakkı (wörtlich übersetz "Milchersatz" = Ausgleich dafür, dass die Eltern die Braut großgezogen und auf den ländlichen Gebieten auf ihre Arbeitskraft jetzt verzichten müssen). Weitere Begriffe hierfür sind Ağırlık und Kalın. In den Entscheidungen der Gerichte beschäftigen sich die Rechtsgelehrten auch mit dem Begriff Çeyiz. Dabei handelt es sich um die Mitgift (güterrechtliches Eigengut). Diese Leistungen haben nicht nur einen islamischen, vorislamischen Hintergrund, sondern haben ihre Wurzeln selbst in der Zeit vor Entstehung der monotheistischen Religionen. Rechtlichen Niederschlag haben diese Institutionen beispielsweise in den sog. Hammurapi-Gesetzen (2100 vc.) in den Artikeln 159 bis 161 gefunden.
Rz. 154
In der zivilen Rechtsentwicklung hat der Gesetzgeber auf die bisherigen Traditionen Rücksicht genommen, aber sich auch – zumindest in der westlichen Welt – darum bemüht, in der Tradition der Aufklärung die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzusetzen und die schwächere Partei zu schützen. Nach der Gründung der Republik hat auch die Türkei diesen Weg eingeschlagen und sich bemüht, die Rechte von Frauen und Kindern auszubauen. Art. 41/2 der türkischen Verfassung engt diesen Schutz für Frauen als "Schutz der Mutter" ein, jedoch verstehen die Gerichte und Rechtsgelehrten diesen Auftrag als Auftrag zum Schutz der Frau als die in der Regel schwächere Partei. Dies basierte auf Art. 169 türkZGB a.F.
Rz. 155
Von einem "Brautpreis" kann nur dann gesprochen werden, wenn die Braut faktisch verkauft wird. Diese Praktik ist nach türkischem Recht sittenwidrig. Eine "güterrechtliche" Absicherung für die Braut ist aber nicht sittenwidrig. Die Vereinbarung eines Brautpreises ist zwar rechtswidrig, aber die Rückforderung des geleisteten Brautpreises ist ebenfalls ausgeschlossen, weil beiden Seiten ein Verstoß gegen die guten Sitten vorzuwerfen ist und diese im Übrigen bereicherungsrechtlich vor den deutschen Gerichten an § 817 S. 2 BGB scheitert. Letztendlich ist hervorzuheben, dass nicht die Wortwahl der Parteien, sondern der "gemeinsame und wahre Wille" (ortak ve gerçek maksatları’) der Parteien ausschlaggebend ist.
Rz. 156
Bei der Schenkung von Brautschmuck anlässlich einer Imamehe in Deutschland wurde deutsches Recht angewandt, gleichzeitig wurde zur Qualifizierung des Brautschmuckes die türkische Rechtsprechung herangezogen. "Die nach türkischem Ritus sog. "Brautgabe" (türkisch: taki) dient unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der türkischen Obergerichte der Absicherung der Ehefrau für den Fall des Scheiterns der Ehe."
Rz. 157
Auch die jüngeren Urteile des türkischen Kassationshofes machen deutlich, dass die Sicherheitsleistungen an die Braut nicht sittenwidrig sind. In seinem Urteil nimmt der Erste Zivilsenat des Kassationshofes auf die zurückliegenden Urteile Bezug und stellt fest, dass Vereinbarungen zwischen den Eheleuten während der Eheschließung, dass einer dem anderen eine Wertsache oder Geldbetrag zuwendet oder zuzuwenden verspricht, nicht verboten seien. Daher kann ein Mehr, das nach den Bedingungen der alten Gesetze und Regeln zustande gekommen ist, nicht als verbotenes (yasaklanmış) Rechtsgeschäft qualifiziert werden. Die Mehr-Vereinbarungen sind auch heute noch gültig.
Für die Gültigkeit des Mehr wird Schriftform gefordert, weil der türkische Kassationshof dies als Schenkungsversprechen qualifiziert und nach türkischem Obligationsrecht das Schenkenversprechen an die Schriftform gebunden ist.