Leitsatz

Unentgeltliche Überlassung von Wohnungseigentum (Mutter an 7 Jahre alten Sohn) mit gleichzeitig vereinbartem unentgeltlichem Nießbrauchsvorbehalt für die Mutter begründet für den Minderjährigen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil

 

Normenkette

§ 107 BGB, § 181 BGB, § 1909 BGB, § 20 GBO, § 22 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

1. Die unentgeltliche Überlassung von Wohnungseigentum an einen über 7 Jahre alten Minderjährigen bringt diesem nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil ( § 107 BGB), wenn die vereinbarten Verpflichtungen der Eigentümer etwa im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des zerstörten Gebäudes gegenüber der gesetzlichen Verpflichtung (vgl. § 22 Abs. 2 WEG) nicht unerheblich verschärft sind (wie hier in zulässiger Weise in der Gemeinschaftsordnung vereinbart).

Dies gilt auch dann, wenn sich der Veräußerer (im Zusammenhang mit der Überlassung hier mit "Gegenleistung" bezeichnet) den Nießbrauch am Wohnungseigentum vorbehält und gleichzeitig als Inhalt des Nießbrauchs vereinbart wird, dass der Nießbraucher (die Mutter) auch die Kosten für außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen zu tragen hat.

Für den Grundbuchvollzug, d.h. Genehmigung der vom Minderjährigen abgegebenen Auflassungserklärungen, ist daher die Bestellung eines Ergänzungspflegers als gesetzlichem Vertreter ( § 1090 BGB) erforderlich, da hiervon gemäß § 108 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der Auflassung, die das Grundbuchamt nach § 20 GBO zu prüfen hat, abhängt. Mutter wie Vater des Minderjährigen waren bei der Entscheidung über die Genehmigung des Vertragswerks gem. § 181 BGB, § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 1795 Abs. 2 BGB von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen.

Dieses Ergebnis schließt an die Beschlussentscheidung des BGH vom 9. 7. 1980 (BGHZ 78, 28 = RPfl. 80, 463) an; mit dieser Entscheidung hat seinerzeit der BGH den Vorlagebeschluss des Senats vom 30. 7. 1979 (BayObLGZ 79, 243) bestätigt und ausgeführt, dass die Frage aus einer Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Vertrages heraus zu beurteilen sei.

Jedenfalls dann sei mit dem dinglichen Rechtserwerb ein rechtlicher Nachteil verbunden, wenn - wie hier - Verpflichtungen vereinbart seien, die über die in § 22 Abs. 2 WEG normierten Wiederaufbaupflichten hinausgingen (insbesondere bei persönlichem Haftungsrisiko).

2. Offen bleiben könne deshalb, ob auch eine (wie hier) gesamtschuldnerische Haftung des Minderjährigen für zukünftige Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümer aus dem Verwaltervertrag einen rechtlichen Nachteil im Sinne von § 107 BGB darstelle, was seinerzeit vom genannten Vorlagebeschluss des Senats wie auch vom OLG Celle (NJW 1976, 2214) bejaht wurde.

3. Am vorgenannten Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beteiligten als Inhalt des Nießbrauchs vereinbart hatten, dass die Nießbraucherin abweichend von § 1041 Satz 2 BGB auch die Aufwendungen für außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen zu tragen habe. Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob eine solche Verpflichtung zum Inhalt des Nießbrauchs gemacht werden konnte. Eine Verpflichtung der Mutter als Nießbraucherin hätte sich auch nicht auf das Verhältnis des Minderjährigen mit den übrigen Eigentümern und auch dem Verwalter ausgewirkt (aufgrund persönlicher Zahlungsverpflichtungen in vollem Umfang). Selbst ein vereinbarter Anspruch auf Freistellung von Verpflichtungen (etwa in Zusammenhang mit Verpflichtungen aus dem Verwaltervertrag) wäre kein sicherer Ausgleich für den durch die persönlichen Verpflichtungen begründeten rechtlichen Nachteil.

4. Die Ansicht, dass zur Aufhebung des Nießbrauchs gem. § 821 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.Ü. die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich sei, solange der Eigentümer noch minderjährig sei, trifft nicht zu; die Aufhebung bedarf allein der Aufgabeerklärung der volljährigen Mutter und der Eintragung in das Grundbuch ( § 875 BGB).

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 18.09.1997, 2Z BR 85/97)

zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung

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