Rz. 12
M darf nicht weniger verbleiben, als einem Ehegatten, dem er Unterhalt leistet (eheangemessener Selbstbehalt; Grundsatz gleicher Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen).
Im Verhältnis zu F2 ist dies grds. unproblematisch, weil bei der Bestimmung des Bedarfs der F2 – neben dem Kindesunterhalt – auch bereits der Unterhalt für F1 abgezogen war. Die anschließende Halbteilung gewährleistet, dass M nicht weniger hat als F2.
Im Verhältnis zu F1 können sich Schwierigkeiten ergeben. Nach der Halbteilung im Verhältnis M/F1 verblieb M eben die Hälfte. Soweit von dieser Hälfte weitere Mittel für den Unterhalt für F2 abfließen, ist der eheangemessene Selbstbehalt (Grundsatz gleicher Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen) im Verhältnis zu F1 nicht mehr gewahrt (relativer Mangelfall).
a) Ausbleiben eines relativen Mangelfalls
Rz. 13
Der eheangemessene Selbstbehalt des M wird nicht berührt, wenn nach der Scheidung seiner Ehe mit F1 sein Einkommen so angestiegen ist, dass die hinzutretende Unterhaltspflicht gegenüber F2 seinen "Hälfteanteil" aus der Halbteilung im Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen ihm, M, und F1 nicht berührt.
Beispiel (extrem vereinfacht):
M hat bereinigt 6.000 EUR. Er zahlt F1 3.000 EUR Unterhalt. Ihm verbleiben 3.000 EUR. M heiratet F2. Sie hat wie F1 kein Einkommen. Müsste M für F1 aus den ihm verblieben 3.000 EUR Unterhalt in Höhe von 1.500 EUR zahlen, verblieben ihm nur noch 1.500 EUR. Im Verhältnis zu F1 wäre der eheangemessene Selbstbehalt (im Bsp. 3.000 EUR) nicht mehr gewahrt. Hat sich das Einkommen des M nach der Scheidung aber in einer Weise erhöht, die F1 nicht mehr zugutekommt (z.B. Karrieresprung: 1.700 EUR; Mieteinnahmen aus geerbter Eigentumswohnung: 1.700 EUR), so hat er 6.400 EUR (3.000 + 1.700 +1.700), von denen er die Hälfte (3.200 EUR) an F2 zahlen müsste. Ihm blieben 3.200 EUR, also mehr als die 3.000 EUR, die er an F1 zahlen muss. Der eheangemessene Selbstbehalt im Verhältnis zu F1 ist dann weiterhin gewahrt.
b) Eintritt eines relativen Mangelfalls
Rz. 14
Schwierigkeiten bereiten die Fälle, in denen, wie meist, ein Unterhaltsanspruch der F2 – oder von Kindern aus einer neuen Beziehung – mangels (ausreichender) Einkommenserhöhung auf Seiten des M dazu führt, dass sein eheangemessener Selbstbehalt im Verhältnis zu F1 nicht mehr gewahrt ist. Dies dürften in der Praxis die meisten Fälle sein.
§ 1581 eröffnet dann die Möglichkeit, den Unterhalt der F1 zu kürzen, um das Gleichgewicht im Verhältnis zwischen M und F1 wieder herzustellen.
Hierbei ist das Rang von F1 und F2 von Bedeutung.
aa) F2 gegenüber F1 nachrangig
Rz. 15
Eine Kürzung des Unterhalts der F1 ist bei Nachrang der F2 grundsätzlich nicht geboten.
Ist F2 ist also nicht wegen Kindesbetreuung unterhaltsberechtigt und besteht, wie in den meisten solcher Fälle, auch keine lange Ehe mit M, während bei F1 die Voraussetzungen des § 1609 Ziffer 2 vorliegen, kann der Unterhaltsanspruch der F2 grds. (Ausnahme: Sicherstellung des Mindestbedarfs) unberücksichtigt bleiben.
bb) F2 und F1 gleichrangig
Rz. 16
Bei Gleichrang ist eine Kürzung des Unterhalts der F1 grundsätzlich geboten.
In Fortsetzung des obigen Beispiels, in dem M nach Zahlung des Unterhalts an F2 nur noch 1.500 EUR bleiben während F1 3.000 EUR hat, könnte ein Ausgleich dadurch erfolgen, dass der Unterhalt für F1 um 750 EUR gekürzt wird, so dass F1 nur noch 2.250 EUR (3.000 – 750) erhält und M dadurch ebenfalls 2.250 EUR (1.500 + 750) hätte.
Die Folge ist freilich, dass M nunmehr nach Zahlung dieses gekürzten Unterhalts mehr verbleibt, was wiederum in die Berechnung des Unterhalts der F2 einfließt, nämlich 3.750 EUR (6.000 – 2.250).
Ausgehend vom Halbteilungsgrundsatz erhielte F2 nunmehr 1.875 EUR (3.750 : 2), und nicht lediglich 1.500 EUR.
Die Folge ist, dass M auch nur noch 1.875 EUR (3.750 – 1.875) hat und damit wiederum weniger als F1 (2.250 EUR).
Dies gebietet m.E. jedoch keine erneute Kürzung des Unterhalts der F1 aus Billigkeitsgründen (vgl. Fall 35). Andernfalls setzt man eine Rechenspirale in Gang, die rechnerisch in eine Dreiteilung mündet.
cc) F2 gegenüber F1 vorrangig
Rz. 17
Der Vorrang rechtfertigt m.E. grundsätzlich keine Erhöhung des Unterhalts über den ermittelten Bedarf hinaus. Eine Ausnahme gilt z.B. dann, wenn der ermittelte Bedarf niedriger ist als der Mindestbedarf (960 EUR). Dann ist dieser Mindestbedarf anzusetzen.
Im Weiteren ist dann eine Kürzung des Unterhalts der F1 wie beim Gleichrang geboten.