Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die elterliche Sorge für einen im Jahre 1999 nichtehelich geborenen Jungen. Die Kindesmutter hatte sogleich nach der Geburt in die Adoption des Kindes eingewilligt, das seither bei Pflegeeltern lebte. Ein Antrag auf Ersetzung der Einwilligung des Vaters in die Adoption wurde zurückgenommen. Eine Adoption durch die Pflegeeltern kam danach nicht mehr in Betracht. Nachdem auf Betreiben des Vaters die Abstammung des Kindes von ihm gerichtlich festgestellt worden war, bemühte er sich ab Anfang des Jahres 2001 in verschiedenen gerichtlichen Verfahren um die Übertragung der elterlichen Sorge für den Sohn und um die Einräumung eines Umgangsrechts mit ihm.

Der "Fall Gorgülü" beschäftigte seither mehrere Jahre die Gerichte durch alle Instanzen. Zuletzt wies der mit der Sache befasste 8. Zivilsenat des OLG Naumburg den Sorgerechtsantrag des Vaters "als zurzeit unbegründet" ab. Hiergegen legte er Rechtsbeschwerde ein, mit der sich der BGH zu befassen hatte.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde des Vaters gegen die Entscheidung des OLG Naumburg als unbegründet zurückgewiesen. Zwar sei in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die nichteheliche Mutter in die Adoption ihres Kindes eingewilligt habe und ihre elterliche Sorge damit ruhe, dem Sorgerechtsantrag des nichtehelichen Vaters unter weniger strengen Voraussetzungen zu entsprechen. Die Vorschrift des § 1672 Abs. 1 BGB sei für solche Fälle verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass dem Antrag des Vaters stattzugeben sei, wenn die Übertragung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes nicht widerspreche. Das Kindeswohl sei allerdings auch in solchen Fällen als oberstes Rechtsgut zu beachten.

Die noch nicht hinreichend gefestigte Bindung des Kindes an seinen Vater lasse einen endgültigen Wechsel des ständigen Aufenthalts in die väterliche Familie noch nicht zu. Zwar sei die schleppende Entwicklung in der Vergangenheit in keiner Weise dem Vater vorzuwerfen, sondern neben dem Verhalten der Pflegeeltern im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die mit dem Umgangsrecht zunächst befassten Behördenmitarbeiter und insbesondere der zuständige Senat des OLG Naumburg die vom Kindeswohl gebotenen Maßnahmen nicht mit dem nötigen Nachdruck gefördert hätten. Die Folgen dieser in der Vergangenheit liegenden Umstände könnten jedoch auch gegenwärtig nicht unberücksichtigt bleiben, um im Interesse des Kindeswohls eine Bindungslosigkeit zu vermeiden.

Der BGH wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass es im Hinblick auf das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG einerseits und das Kindeswohl andererseits geboten sei, die Entstehung einer tragfähigen Beziehung zwischen Vater und Sohn schnellstmöglich und mit Nachdruck zu fördern, um einen baldigen Wechsel des ständigen Aufenthalts des Kindes zu ermöglichen.

 

Hinweis

Eine wenig rühmliche Entscheidung, die deutlich vor Augen führt, zu welchen Auswüchsen unser Rechtssystem führen kann, wenn Gerichte und Behörden stur an einer einmal gefassten Ansicht festhalten und die Verfahrensbeteiligten alle prozessualen Mittel unter Außerachtlassung des Kindeswohl bis zum Letzten ausschöpfen.

Eine endgültige Entscheidung über die Realisierbarkeit der Rückführung des Kindes in den väterlichen Haushalt ist noch nicht in Sicht. Der BGH hat seine Entscheidung ausdrücklich als situationsbezogen qualifiziert und darauf hingewiesen, dass zu gegebener Zeit erneut zu prüfen sei, ob das Wohl des Kindes einen Wechsel in den väterlichen Haushalt zulassen werde. Angesichts der geradezu bizarren Vorgeschichte ist zu befürchten, dass auch in naher Zukunft eine Realisierung der vom BGH geäußerten Erwartungshaltung nicht möglich sein wird.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 26.09.2007, XII ZB 229/06

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