Leitsatz
Im Alter von 10 Wochen wurde die Tochter einer nicht verheirateten Mutter, die allein sorgeberechtigt war, auf gerichtliche Anordnung aus der Betreuung der Mutter herausgenommen und einstweilig unter vorläufige Vormundschaft des Jugendamtes gestellt, nachdem bei der Vorstellung des Kindes im Krankenhaus wegen einer Beule am Kopf zusätzlich ältere Brüche an Kopf und Beinen entdeckt worden waren, die nur auf äußere Gewalteinwirkung zurückgeführt werden konnten. Wodurch das Kind, das seinerzeit ausschließlich in der Obhut seiner Eltern war, diese Verletzungen erlitten hatte, konnte nicht aufgeklärt werden. Der in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeschaltete gerichtsmedizinische Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein Unfall - wie die Eltern ihn für möglich hielten - als Ursache auszuschließen sei und nur ein absichtliches Zufügen durch Schlagen des Kindes an einen stumpfen Gegenstand als Verletzungsursache in Frage komme.
In der Folgezeit wurde jeweils in erster, wie in zweiter Instanz, ein Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Mutter, die unter Aufrechterhaltung ihrer Beziehung mit dem Vater wieder in ihrer eigenen Wohnung lebte, eingeholt. Beide Sachverständige kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass die Mutter nicht eigenständig erziehungsfähig und nicht in der Lage sei, die körperliche Unversehrtheit des Kindes sicherzustellen. Sie sei in der Lage, das Kind zu pflegen, zu ernähren und sein geistiges Wohl zu befriedigen, gleichwohl falle es der Mutter schwer, sich auf das Kind einzustellen und ihm altersgerecht zu begegnen, insbesondere Verletzungen von ihm fernzuhalten und auf Verletzungen des Kindes adäquat zu reagieren.
Das erstinstanzliche Gericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Tochter auf das Jugendamt übertragen und ein Umgangsrecht der Kindesmutter angeordnet.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Mutter, mit der sie die Wiederherstellung ihrer vollen elterlichen Sorge für ihre Tochter, hilfsweise ein intensiveres sich zeitlich gestaffelt ausweitendes Umgangsrecht erstrebte.
Das Rechtsmittel hatte nur teilweise Erfolg.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Eine Rückführung des Kindes in die Betreuung der Mutter kam nach Auffassung des OLG nicht in Betracht. Andererseits sei nicht der Entzug der gesamten elterlichen Sorge zur Sicherstellung des Kindeswohls geboten, zumal die Sachverständige eine Rückführung des Kindes in die Betreuung der Mutter für möglich und mit dem Kindeswohl vereinbar halte, wenn sie durch schrittweise Ausweitung der eigenverantwortlichen Kontakte die Möglichkeit erhalte, die Mutter-Kind-Beziehung zu intensivieren und eine tragfähige Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen.
Der Mutter stehe gem. § 1684 BGB das Recht zum Umgang mit ihrem Kind zu.
Bei der Ausgestaltung des Umgangs stehe hier neben der Pflege des Kontakts zum eigenen Kind und zum Schutz des Kindes der Wiederaufbau einer funktionierenden Mutter- Kind-Beziehung durch schrittweise sich ausweitende Einübung der Übernahme von Eigenverantwortung für das Kind, mit dem Ziel einer späteren Wiederübernahme der vollen elterlichen Sorge im Vordergrund. Dies beginne mit der Möglichkeit, einen eigenständigen Kontakt mit der Pflegefamilie aufzunehmen, wobei die Belange der Pflegefamilie durch eine gebotene Zurückhaltung bei der Kontaktaufnahme zu wahren seien.
Der Umgang habe zunächst in Begleitung einer Vertrauensperson stattzufinden, erst in einer zweiten Stufe könne der Umgang zwischen Mutter und Tochter ohne fremde Begleitung stattfinden.
Eine weitere zeitliche festgelegte Staffelung von Verantwortungsübernahme durch die Mutter lasse sich mangels Absehbarkeit der Entwicklung noch nicht im Detail festlegen. Insoweit sei es dem Jugendamt als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts unbenommen, je nach Entwicklung der Verhältnisse mit der Mutter zu gegebener Zeit eine verantwortungsvolle Ausweitung des Umgangs zu vereinbaren.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Beschluss vom 03.04.2007, 21 UF 163/06