Leitsatz
Getrennt lebende Eltern stritten sich um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Drillinge und hatten insoweit widerstreitende Anträge gestellt. Die Kinder lebten mit ihren Halbgeschwistern bereits seit zwei Jahren in dem Haushalt ihrer Mutter und waren bei ihrer ersten Anhörung vor dem FamG 5 1/2 und bei der zweiten Anhörung vor dem OLG 7 Jahre alt. Die mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige war zu dem Ergebnis gekommen, dass beide Eltern gleichermaßen erziehungsgeeignet seien. Aufgrund erheblicher Spannungen zwischen ihnen waren sie jedoch nicht in der Lage, sich über den Aufenthalt der Kinder einvernehmlich zu verständigen.
Anlässlich der Anhörung der Drillinge vor dem FamG hatten alle drei den Wunsch geäußert, bei ihrem Vater leben zu wollen. U.a. gestützt auf den von den Kindern geäußerten Wunsch hatte das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen.
Hiergegen legte die Kindesmutter Beschwerde ein, die zur Aufhebung des Beschlusses und zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie führte.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG folgte in seinem Beschluss weitgehend den auch vom AG zugrunde gelegten Kriterien für die Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Es sei derjenigen Sorgerechtsregelung der Vorzug zu geben, von der zu erwarten sei, dass sie im Sinne des Kindeswohls die bessere Lösung darstelle. Bei der prognostischen Beurteilung seien insbesondere der Förderungsgrundsatz und die Erziehungseignung, die Bindungstoleranz der Eltern, die Bindungen der Kinder, der Kontinuitätsgrundsatz und der Kindeswille von Bedeutung, wobei die Gewichtung dieser Kriterien nicht schematisch vorgenommen werden könne.
Nach Auffassung des OLG hatte das AG im Ansatz zutreffend festgestellt, inwieweit diese Kriterien verwirklicht worden waren.
Eine andere Beurteilung als das AG nahm das OLG jedoch hinsichtlich des Kindeswillens vor. Es hatte erhebliche Bedenken dagegen, dass der von den Drillingen im erstinstanzlichen Verfahren in unterschiedlicher Intensität geäußerte Wille ein autonomer sei. Der vom AG dargestellte Ausgangspunkt für die Berücksichtigung des Kindeswillens treffe zwar zu, unzureichend berücksichtigt worden sei jedoch, dass bei einer Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Wille von noch nicht 8 Jahre alten Kindern regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein könne. Ferner sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass die Trennung von Geschwistern grundsätzlich zu vermeiden und nur bei Vorliegen besonderer triftiger Ausnahmegründe zuzulassen sei (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2003, 1953 ff.; OLG Stuttgart, FamRZ 2006, 1857; vgl. auch: BVerfG, FamRZ 2001, 1057).
Beim Kindeswillen müsse stärker als dies das AG getan habe berücksichtigt werden, dass die Drillinge bei ihren Anhörungen erst zwischen 5 1/2 und gerade 7 Jahre alt gewesen seien. Die Berücksichtigung des Kindeswillens setze zunächst voraus, dass das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage sei. Der Kindeswille sei zum einen der verbale Ausdruck für die relativ stärkste Personenbindung, zum anderen von einem gewissen Alter an ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes, der schon aus Gründen des Verfassungsrechts geschützt sei. Allerdings trete der Gesichtspunkt der Selbstbestimmung aufgrund des Kindesalters in den Hintergrund, wenn das Kind noch nicht in der Lage sei, einen autonomen Willen zu bilden. Hierfür sei die verstandesmäßige und seelische Reife für eine tragfähige, selbst bestimmte und vernunftgeleitete Entscheidung über den Aufenthalt erforderlich.
Die Tatsache, dass die Drillinge in erster Instanz durchgängig den Willen geäußert hätten, beim Vater leben zu wollen, ließ sich nach Auffassung des OLG nicht als hinreichend sicheres Kriterium dafür werten, dass es sich um eine autonome Willensbildung gehandelt habe. Ebenso könnten die Äußerungen auch Ausdruck eines für die Kinder unlösbaren Konflikts sein. Gegen eine freie Willensbildung sprachen nach Auffassung des OLG schon die äußeren Umstände bei den Anhörungen. Das OLG hielt die Einschätzung des geäußerten Willens der Kinder als autonom nicht für mit hinreichender Sicherheit feststellbar. Soweit die Kinder auf Nachfrage überhaupt Gründe angegeben hätten, seien diese altersentsprechend wenig nachvollziehbar gewesen. Auch die Sachverständige habe nachvollziehbar erläutert, dass erhebliche Zweifel an der Autonomie des geäußerten Willens der Kinder beständen.
Schließlich hätten die Kinder auch an ihrem damals geäußerten Willen nicht mehr festgehalten. Gegenüber den Mitgliedern des Senats hätten sie vielmehr den Eindruck hinterlassen, auf keinen Fall sich in irgendeiner Weise dazu äußern zu wollen, wo sie bleiben wollten. Ein immer noch bestehender kontinuierlich geäußerter Wunsch, beim Vater leben zu bleiben, könne deshalb nicht mehr festgestellt werden. Hinsichtlich des früher geäußerten Wunsches der Kinder beständen so erhebliche Bedenken ...