Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil bei entgegenstehendem Kindeswillen
Leitsatz (amtlich)
Zur Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil; maßgebliche Kriterien bei entgegenstehendem Willen der Kinder.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Beschluss vom 04.12.2007; Aktenzeichen 54 F 5/06) |
Gründe
... Die gem. § 621e ZPO i.V.m. §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 517, 520 ZPO zulässige befristete Beschwerde der Kindesmutter ist begründet. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Le., Li. und La.K. als Teil der elterlichen Sorge ist der Kindesmutter allein zu übertragen.
Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB kann einem Elternteil die elterliche Sorge bzw. Teile der elterlichen Sorge allein übertragen werden, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend getrennt voneinander leben und wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Nach der gesetzlichen Konzeption besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen in Betracht käme (vgl. BGH, NJW 2000, 203 m.w.N.). Es ist vielmehr im Weg einer Prognoseentscheidung zu prüfen, in wie weit beide Eltern uneingeschränkt zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind, ob ein gemeinsamer Wille zur Kooperation besteht und ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten, Teile des Sorgerechts nur einem Elternteil zu übertragen (BVerfG, FamRZ 1982, 1179).
Hier muss festgestellt werden, dass die Kindeseltern ungeachtet der jeweils vorhandenen Erziehungseignung aufgrund ihrer persönlichen Probleme nicht in der Lage sind, sich über den Aufenthalt der Kinder einvernehmlich zu verständigen. Es bestehen derart erhebliche Spannungen zwischen den Kindeseltern, die auch bei der Anhörung durch den Senat zutage getreten sind, und die von beiden Seiten ausgehen, die es als aussichtslos erscheinen lassen, hier in naher Zukunft eine einverständliche Regelung über den Aufenthalt der Drillinge zu erreichen. Zwar ist offenbar eine Verbesserung insoweit eingetreten, als die Umgangsregelung mit den Drillingen inzwischen mit weniger Problemen verbunden ist als früher. Im Grundsatz sind beide Eltern jedoch nicht in der Lage, vernünftig miteinander umzugehen und die Interessen des jeweils anderen zu akzeptieren. Beide versuchen offensichtlich, Familienangehörige auf ihre Seite zu ziehen, seien es die älteren Halbgeschwister der Drillinge, seien es die Großeltern. Zu Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern kommt es nicht nur über die Belange der Kinder, sondern auch vor den Kindern. Aufgrund dieser ganz erheblichen Probleme, deren entscheidende Verbesserung nicht in Sicht ist, erscheint es unumgänglich, zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem der Elternteile allein zu übertragen.
Da hier ausdrücklich beide Eltern nur eine Regelung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht getroffen wissen wollen, hat es im Übrigen derzeit beim gemeinsamen Sorgerecht zu verbleiben. Es gilt der Grundsatz, dass - wenn die Eltern lediglich einen Antrag auf Übertragung nur eines Teils der elterlichen Sorge stellen - eine Entscheidung auch nur insoweit erforderlich ist; im Übrigen soll es bei der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge bleiben, wenn nicht Gründe des Kindeswohls eine Entscheidung nach § 1666 BGB erfordern (Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 Rz. 18; Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Aufl., § 1671 Rz. 4 f.; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2003, 1953). Im vorliegenden Fall steht zu hoffen, dass nach einer abschließenden Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht die Kindeseltern in der Lage sein werden, sich über die übrigen Belange der elterlichen Sorge zu verständigen. Das Kindeswohl gebietet derzeit eine abweichende Regelung hinsichtlich der weiteren Bestandteile der elterlichen Sorge nicht. Beiden Kindeseltern ist jedoch dringend angeraten, Beratungs- und Hilfemöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um sich künftig über die Belange ihrer Kinder vernünftig zu deren Wohl vereinbaren zu können, damit die gemeinsame elterliche Sorge zum Wohl der Kinder fortbestehen kann.
Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, hat das AG im Ausgangspunkt die zutreffenden Kriterien bezeichnet. Es ist derjenigen Sorgerechtsregelung der Vorzug zu geben, von der zu erwarten ist, dass sie im Sinne des Kindeswohls die bessere Lösung darstellt. Bei der prognostischen Beurteilung sind folgende Gesichtspunkte bedeutsam, wobei die Gewichtung nicht schematisch vorgenommen werden kann: Förderungsgrundsatz und Erziehungseignung, Bindungstoleranz der Eltern, Bindungen der Kinder, Kontinuitätsgrundsatz und Kindeswille.
Das AG hat auch im Ansatz zutreffend festgestellt, in wie weit diese Kriterien im vorliegenden Fall verw...