Leitsatz
Der Steuerpflichtige kann auch dann die gegen ihn festgesetzte Einkommensteuer anfechten, um Rückstellungen wegen der Gewerbesteuer steuermindernd geltend zu machen, wenn er gegen einen Gewerbesteuermessbescheid mit der Begründung vorgeht, er sei Freiberufler. Der mit der Prüfung des Einkommensteuerbescheids beauftragte Steuerberater ist verpflichtet, hierauf hinzuweisen.
Sachverhalt
Der Kläger ist Diplom-Kaufmann und seit 1989 selbständig tätig. Unter anderem arbeitete er als "Headhunter". Die Beklagte hatte ihn von 1990 bis 1997 steuerlich beraten. Das Finanzamt behandelte zunächst auch die Einkünfte aus der Vermittlungstätigkeit des Klägers als Einkünfte nach § 18 EStG. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1995 wurden die Einkünfte in den Jahren von 1990 bis 1993 als gewerblich eingeordnet. Die gegen die Gewerbesteuermessbeträge eingelegten Rechtsbehelfe blieben erfolglos. Der BFH führte aus, der Kläger sei in den Streitjahren durch die Auswahl und Präsentation von Kandidaten für unternehmerische Führungsaufgaben gewerblich tätig geworden und unterliege daher der Gewerbesteuer. Der Kläger wirft der Beklagten vor, die aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Einkommensteuerbescheide für 1990 bis 1993 nicht angefochten zu haben, um durch hilfsweise zu bildende Gewerbesteuerrückstellungen wenigstens die Herabsetzung der Einkommensteuer zu erreichen. Die Vorinstanzen haben die diesbezügliche Feststellungsklage abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich.
Entscheidung
Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten möglichst vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zum angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen. Im Prozess hat er die zugunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vorzutragen. Die mandatsbezogen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich jedenfalls verschaffen.
Angesichts dieser Grundsätze musste die Beklagte den Kläger dahin beraten, dass er gegen die Einkommensteuerbescheide für 1990 bis 1993 Einspruch einlegt mit dem Ziel, Gewerbesteuerrückstellungen zu bilden. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte im Auftrag des Klägers gegen die Gewerbesteuermessbescheide vorging und hierbei den Standpunkt ihres Mandanten vertrat, er sei nicht Gewerbetreibender, sondern Freiberufler. Denn der Steuerberater muss bei seiner Beratung auch in Rechnung stellen, dass Behörden oder Gerichte den von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkt nicht teilen. Er muss auch für diesen Fall Vorsorge zugunsten des Mandanten treffen.
Der Kläger hätte danach einerseits gegen die Gewerbesteuermessbescheide mit der Begründung vorgehen können, er sei Freiberufler, und andererseits mit dem Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide geltend machen können, als Gewerbetreibender könne er Gewerbesteuerrückstellungen bilden. Denn bei diesen Rechtsmittelverfahren handelte es sich um zwei getrennte selbständige Verfahren. Das Finanzamt ist wie auch das FG in seiner Beurteilung in dem einen Verfahren grundsätzlich nicht an diejenige in dem anderen Verfahren gebunden. Der Gewinnermittlung für Zwecke der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung liegen zwar im Wesentlichen dieselben Rechtsnormen zugrunde. Die Einkommensteuerveranlagung ist aber nicht bindend für die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung und umgekehrt. Identische Überlegungen gelten für das Einspruchsverfahren.
Die Rechtmäßigkeit ist für jeden Bescheid gesondert zu beurteilen. Dem Kläger war es in der Abgrenzungsfrage, ob seine Tätigkeit unter § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG fällt, also unbenommen, in jedem Rechtsbehelfsverfahren den für ihn günstigsten Rechtsstandpunkt einzunehmen. Hierauf hätte die Beklagte ihn hinweisen müssen.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 23.3.2006, IX ZR 140/03