1 Leitsatz
Es besteht eine Beschlusskompetenz, über eine Änderung des Umlageschlüssels für Rücklagen zu beschließen, bzw. einen von dem vereinbarten Umlageschlüssel abweichenden Umlageschlüssel für die Rücklagenbefüllung durch Beschluss zu bestimmen. Ein Beschluss über die Änderung des "Befüllungs-Schlüssels" ist aber nicht ordnungsmäßig, wenn es hierdurch dazu kommt, dass eine einheitliche Rücklage nach verschiedenen Umlageschlüssels befüllt wird.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
3 Das Problem
In der Gemeinschaftsordnung ist vereinbart, eine Erhaltungsrücklage anzusammeln. Die Erhaltungsrücklage wird seit Jahren – entsprechend der Gemeinschaftsordnung – im folgenden Verhältnis aufgebracht: WE 7 zu 46 %, WE 8 zu 31 % und WE 9 zu 23 %. Im Dezember 2021 beschließen die Wohnungseigentümer, die Kosten der Erhaltungsrücklage künftig im Verhältnis der Miteigentumsanteile umzulegen. Wohnungseigentümer K meint, dieser Beschluss sei nichtig, jedenfalls nicht ordnungsmäßig. Das AG weist die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat Erfolg! Allerdings bestehe eine Beschlusskompetenz, den geltenden Umlageschlüssel für Rücklagen zu ändern. § 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG verpflichte die Gemeinschaft nur, eine angemessene Erhaltungsrücklage anzusammeln, bestimme aber nicht den Schlüssel, nach welchem die Rücklage aufzufüllen sei. Hier sei § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG anzuwenden. Er gelte zwar an sich nur für die Kosten der Gemeinschaft. Er sei aber entsprechend anwendbar. Daher sei auch § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG anwendbar. Der Beschluss widerspreche indes einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Erforderlich sei insoweit mindestens, dass die späteren Ausgaben nach den gleichen Schlüsseln verteilt werden würden, nach welchem die Rücklage befüllt worden sei. Insoweit gelte der Grundsatz, dass der Befüllungs- und der Entnahmeschlüssel identisch sein müssten. Hieran fehle es! Durch die Änderung des Befüllungs-Schlüssels komme es zu einer "Mischbefüllung", weshalb in Zukunft eine Entnahme nicht mehr möglich wäre. Dies entspreche keiner ordnungsmäßigen Verwaltung.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, welcher Wohnungseigentümer sich in welcher Weise an der Erhaltungsrücklage zu beteiligen hat.
Grundsatz
Die Mittel für die künftigen Erhaltungsmaßnahmen (= die Erhaltungsrücklage) sind nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG umzulegen. Die Wohnungseigentümer können, wie im Fall, etwas Anderes vereinbaren. Sie können nach dem LG auch etwas Anderes beschließen. Dann ist aber zu fragen, wann eine Änderung ordnungsmäßig ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Wohnungseigentümer bestimmen, die vorhandenen Mittel nach dem bislang bestehenden Schlüssel an die Wohnungseigentümer auszukehren und dann neu anzufangen. Dabei muss man darauf achten, mindestens den Betrag einer "eisernen Reserve" zu enthalten. Das LG meint, man könne auch die vorhandenen Mittel "insgesamt mit den nach dem neuen Schlüssel zu zahlenden Mindestbeträgen bestehen zu lassen". Dann wäre im Beschluss nur deren neue Zusammensetzung (informatorisch) festzulegen und nur in Höhe der Differenzen wären Auszahlungs- oder Nachzahlungsansprüche zu begründen.
Was ist für Verwaltungen besonders wichtig?
Der geltende Umlageschlüssel für Rücklagen sollte, wenn möglich, nicht angetastet werden. Wenn doch, sollte man meines Erachtens die Mittel auflösen und zugleich eine Sonderumlage zur Auffüllung nach neuem Schlüssel bestimmen. Im Übrigen ist darauf zu achten, die Mittel nur für ihren Zweck einzusetzen und nicht beispielsweise für eine bauliche Veränderung.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.10.2023, 2-13 S 133/22