1 Leitsatz

Ein Umlage-Beschluss, der für einen Wohnungseigentümer in Bezug auf eine Kostenposition zu einer Versechs- oder Versiebenfachung führt, kann einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen, wenn die zu ändernde Umlagevereinbarung einzelne Wohnungseigentümer unbillig privilegiert, während der durch den Umlage-Beschluss bestimmte Umlageschlüssel zu einer höheren Kostengerechtigkeit führt.

2 Normenkette

§§ 16 Abs. 2 Satz 2, 23 WEG

3 Das Problem

Nach der Gemeinschaftsordnung sind öffentliche Abgaben, Betriebs- und die Instandsetzungskosten nach Miteigentumsanteilen umzulegen. Die Verwaltungsgebühren sind zu gleichen Teilen zu tragen. Die Kosten für die Erneuerung, Erhaltung und Instandsetzung sowie den Betrieb des Aufzugs tragen nur bestimmte Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer beschließen vor diesem Hintergrund zu TOP 7: "Ab dem 01.01.2022 sollen alle zu verteilenden Kosten, welche aktuell nach Miteigentumsanteilen (MEA) verteilt werden, künftig nach der beheizbaren Wohnfläche (ohne Balkone/Loggien) verteilt werden. Um die aktuelle, tatsächliche Wohnfläche aller Einheiten nach den im Objekt stattgefundenen Baumaßnahmen zu ermitteln, soll die Verwaltung einen Sachverständigen mit der Erstellung einer Wohnflächenberechnung beauftragen und diese Flächen als Berechnungsgrundlage verwenden." Zu TOP 9 bestimmen die Wohnungseigentümer die Vorschüsse für 2022. Gegen diese Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, der Beschluss zu TOP 7 sei zu unbestimmt.

4 Die Entscheidung

Dies sieht das LG nicht so! Der Umlage-Beschluss sei ordnungsmäßig. Er sei klar und eindeutig und lasse erkennen, welche Kostenpositionen von der Änderung erfasst seien. Dies ergebe sich daraus, dass die betreffenden Kostenpositionen in der Jahresabrechnung 2020 als "MEA gesamt" und in den Wirtschaftsplänen 2022 nunmehr mit "beheizte Fläche" bezeichnet und veranschlagt seien. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG könne man auch eine Umlagevereinbarung ändern. Es handele sich auch nicht um eine unzulässige generelle Änderung für sämtliche Kosten, sondern um eine Änderung bestimmter Arten von Kosten, wobei die Änderung auch eine Vielzahl von Kosten betreffen könne. Die Änderung benachteilige K auch nicht unbillig. Für die Änderung eines Umlageschlüssels bestehe ein weiter Ermessensspielraum. Ein sachlicher Grund sei nicht erforderlich. Die Änderung dürfe nur nicht willkürlich sein. Insoweit habe der BGH es als zulässig erachtet, dass selbst eine sechs- oder siebenfache Erhöhung dann zulässig und nicht willkürlich sei, wenn der bisherige Verteilungsmaßstab auf einem Umlageschlüssel beruhe, der einzelne Miteigentümer gegenüber den übrigen unbillig privilegiere, während der neue Umlageschlüssel zu einer höheren Kostengerechtigkeit führe. Genauso verhalte es sich hier. Der bisherige Umlageschlüssel habe zur Folge, dass die Gewerbeeinheiten, gemessen an der Quadratmeterfläche, nur mit etwa einem Viertel der Kosten für Abgaben, Betriebskosten und Instandsetzung beteiligt seien. Für eine solche Privilegierung sei ein sachlicher Grund nicht erkennbar.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall machen Wohnungseigentümer von der Beschlusskompetenz des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG Gebrauch. Die Wohnungseigentümer können danach für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen (Umlage-Beschluss).

Umlage-Beschluss und Ordnungsmäßigkeit

Wie jeder andere Beschluss muss ein Umlage-Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen. Er muss also unter anderem "bestimmt" sein. Ferner darf er nicht willkürlich sein. Den 1. Prüfstein (Bestimmtheit) bejaht das LG, den 2. (Willkür) verneint es. Überblick:

Bestimmtheit. Ein Umlagebeschluss muss erkennen lassen, welcher Umlageschlüssel geändert werden und welcher Umlageschlüssel künftig gelten soll. Im Fall wird der geltende Umlageschlüssel wie folgt bezeichnet: "alle zu verteilenden Kosten, welche aktuell nach Miteigentumsanteilen (MEA) verteilt werden". Das ist vertretbar. Denn es ist erkennbar, dass es um den Umlageschlüssel "Verhältnis der Miteigentumsanteile" geht. Der neue Umlageschlüssel lautet: "beheizbare Wohnfläche (ohne Balkone/Loggien)". Dieser Umlageschlüssel ist klar, wenn die Wohnfläche feststeht. Dazu haben die Wohnungseigentümer bestimmt, einen Sachverständigen mit der Erstellung einer Wohnflächenberechnung zu beauftragen. Das ist vertretbar. Besser wäre es allerdings, den Sachverständigen anzuweisen, auf welcher Grundlage er rechnen soll. Nahe liegt die WoFlV.

Willkür. Der Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Dies ist der Fall, wenn er einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen aller Wohnungseigentümer an einem reibungslosen Zusammenleben einerseits und den Individualinteressen des einzelnen Wohnungseigentümers andererseits findet. Hier ist unter anderem zu fragen, ob der Verursachung angemessen Rechnung getragen wird. Ordnungsmäßigkeit fordert weiter, dass der Beschluss formal und materiell rechtmäßig sein muss – seinem Zustand...

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