Problemüberblick

Im Fall geht es um 2 Fragen. Die eine ist die Frage, ob überhaupt eine Beschlusskompetenz besteht, Wohnungseigentümer vollständig von den Erhaltungskosten für einen wesentlichen Gebäudebestandteil zu befreien. Die andere Frage ist, ob, wenn eine Beschlusskompetenz besteht, eine Änderung einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.

Beschlusskompetenz

Auf der Grundlage des WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung hatte der BGH angenommen, dass § 16 Abs. 3 WEG a. F. nur die Kompetenz einräumt, im Rahmen einer dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungsverpflichtung einen anderen Verteilungsmaßstab zu beschließen. § 16 Abs. 3 WEG a. F. begründe hingegen nicht die Befugnis, einen Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit sei, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen. Hiervon ausgehend wird auch für § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG angenommen, dass dieser den Wohnungseigentümern lediglich eine Kompetenz zur Beschlussfassung über das "Wie" der Kostenverteilung, nicht aber über das "Ob" der Kostentragung einräumt. Mit der Entscheidung stellt der BGH klar, dass es nicht so ist! Diese Haltung überzeugt, da sie bereits zum alten Recht kaum vertretbar war.

Ordnungsmäßigkeit: Grundsatz

Der BGH hält mit der Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Wohnungseigentümer für die Änderung des geltenden Umlageschlüssels einen weiten Spielraum haben und Änderungen in der Regel einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen werden. Die Besonderheit im Fall besteht darin, dass es um Erhaltungskosten geht – die hydraulische Hebeanlage der Mehrfachparker. Zu prüfen ist, ob es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen kann, dass nur bestimmte Wohnungseigentümer diese Kosten zu tragen haben. Der BGH bejaht die Frage, wenn der neue Umlageschlüssel den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt.

Ordnungsmäßigkeit: Erhaltungsrücklage

Die Revision hatte beim BGH geltend gemacht, gegen eine Ordnungsmäßigkeit spreche die Ansammlung der Erhaltungsrücklage und der dort geltende Umlageschlüssel. Dies sah der BGH anders. Er führt aus: "Richtig ist zwar, dass die Bildung einer Erhaltungsrücklage dazu dient, notwendige größere Erhaltungsmaßnahmen wirtschaftlich abzusichern und durch das Ansparen kleinerer Beträge unter anderem das Risiko einer plötzlichen finanziellen Überforderung der einzelnen Wohnungseigentümer durch Sonderumlagen zu vermindern. Auch ist die Erhaltungsrücklage entsprechend ihrer Zweckbindung zu verwenden. Ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Verwendung für eine bestimmte Erhaltungsmaßnahme besteht aber nicht. Der Kläger konnte daher nicht auf eine Finanzierung der Instandsetzung der Mehrfachparker aus Mitteln der Rücklage vertrauen, selbst wenn insoweit ein Sanierungsstau bestanden haben mag".

Ordnungsmäßigkeit: Rückwirkungsverbot

Die Revision hatte beim BGH ferner geltend gemacht, gegen eine Ordnungsmäßigkeit spreche das Rückwirkungsverbot. Auch dies sah der BGH anders. Er führt aus: "Auch unter dem Aspekt des Rückwirkungsverbots ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, keine andere Beurteilung. Zwar sind Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, grundsätzlich unzulässig. Geht es aber um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang, ist eine Rückwirkung – soweit spezialgesetzliche Regelungen fehlen – hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat. So liegt es hier. Die Beschlussfassung betrifft keinen abgeschlossenen Sachverhalt, sondern ändert den Verteilungsschlüssel mit Wirkung für die Zukunft. Bei typisierender Betrachtung konnten die Teileigentümer nicht darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Öffnungsklauseln dauerhaft unverändert bleiben und die Mehrheitsmacht nicht erweitert wird. Vielmehr muss mit Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen grundsätzlich gerechnet werden".

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Verwaltungen müssen wissen, dass es eine Beschlusskompetenz gibt, den Schuldnerkreis zu verändern – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung – und es also möglich ist, einen Wohnungseigentümer erstmalig an Kosten zu beteiligen oder umgekehrt Wohnungseigentümer vollständig von den Kosten für eine bestimmte Position freizustellen. Außerdem müssen die Verwaltungen wissen, wann ein Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Hier müssen sie wissen, dass die Wohnungseigentümer ein weites Ermessen haben, abweichende Umlageschlüssel zu bestimmen. Ferner müssen sie wissen, dass bei Erhaltungsmaßnahmen grundsätzlich darauf zu achten ist, dass dem Gebrauch oder der Gebrauchsmöglichkeit Rechnung getragen wird.

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