1 Leitsatz
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG erlaubt es, den Kreis der Kostenschuldner zu verändern, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Werden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die nach dem zuvor geltenden Umlageschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
3 Das Problem
In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es eine Tiefgarage, in der sich 20 Mehrfachparker befinden. 4 Mehrfachparker stehen im Teileigentum von Teileigentümer K. Nach der Gemeinschaftsordnung sind grundsätzlich alle Erhaltungskosten nach den jeweiligen Miteigentumsanteilen von sämtlichen Wohnungs- bzw. Teileigentümern zu tragen. Aufgrund eines Defekts der hydraulischen Hebeanlage, die in der konkreten Wohnungseigentumsanlage im gemeinschaftlichen Eigentum steht, kann in den Mehrfachparkern des K lediglich 1 Fahrzeug abgestellt werden. Seit dem Jahr 2018 verlangt K daher, dass die Hydraulik repariert wird. Im Jahr 2021 beschließen die Wohnungseigentümer, dass die Kosten für etwaige Sanierungs-, Reparatur-, Unterhaltungs- und Modernisierungsarbeiten an den Mehrfachparkern allein deren Teileigentümer gemeinschaftlich zu tragen haben. Gegen diesen Beschluss wendet sich K. Das AG weist die Klage ab. Die Berufung zum LG bleibt erfolglos.
4 Die Entscheidung
Auch die Revision hat keinen Erfolg! Der Beschluss sei nicht nichtig. § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG erlaube es auch, den Kreis der Kostenschuldner zu verändern, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Für ein weites Verständnis der Regelung spreche bereits der Gesetzeswortlaut. Dieses Verständnis entspreche auch dem gesetzgeberischen Ziel des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Auch das Gebot der Rechtssicherheit streite dafür, die Kompetenz der Wohnungseigentümer weit zu fassen. Denn eine Nichtigkeit wegen fehlender Beschlusskompetenz hätte zur Folge, dass dieser Mangel auch noch Jahre nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden könnte.
Der Beschluss entspreche auch einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Den Wohnungseigentümern sei bei Änderungen des geltenden Umlageschlüssels ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Eine Änderung sei auch nicht an das Vorliegen eines sachlichen Grunds als eigene, von der ordnungsmäßigen Verwaltung unabhängige Voraussetzung geknüpft. Die Wohnungseigentümer dürften mithin jeden Umlageschlüssel wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen sei und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führe.
An die Auswahl eines angemessenen Umlageschlüssels dürften keine strengen Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen Wohnungseigentümers auswirkt. Würden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG), die nach dem zuvor geltenden Umlageschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen seien, einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspreche dies jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtige. So liege es im Fall. Dass der Umlage-Beschluss eine erhebliche Mehrbelastung der Teileigentümer zur Folge habe, ändere nichts.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um 2 Fragen. Die eine ist die Frage, ob überhaupt eine Beschlusskompetenz besteht, Wohnungseigentümer vollständig von den Erhaltungskosten für einen wesentlichen Gebäudebestandteil zu befreien. Die andere Frage ist, ob, wenn eine Beschlusskompetenz besteht, eine Änderung einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
Beschlusskompetenz
Auf der Grundlage des WEG in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung hatte der BGH angenommen, dass § 16 Abs. 3 WEG a. F. nur die Kompetenz einräumt, im Rahmen einer dem Grunde nach bereits bestehenden Kostentragungsverpflichtung einen anderen Verteilungsmaßstab zu beschließen. § 16 Abs. 3 WEG a. F. begründe hingegen nicht die Befugnis, einen Wohnungseigentümer, der nach einer bestehenden Vereinbarung von der Tragung bestimmter Kosten oder der Kostentragungspflicht insgesamt befreit sei, durch Beschluss erstmals an den Kosten zu beteiligen. Hiervon ausgehend wird auch für § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG angenommen, dass dieser den Wohnungseigentümern lediglich eine Kompetenz zur Beschlussfassung über das "Wie" der Kostenverteilung, nicht aber über das "Ob" der Kostentragung einräumt. Mit der Entscheidung stellt der BGH klar, dass es nicht so ist! Diese Haltung überzeugt, da sie bereits zum alten Recht kaum vertretbar war.
Ordnungsmäßigkeit: Grundsatz
Der BGH hält mit der Entscheidung an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Wohnungseigentümer für die Änderung des geltenden Umlageschlüssels einen weiten Spielrau...