Leitsatz
1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass nicht organisierte und nicht planmäßige sportliche Betätigungen, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen, als Ausübung von Sport im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können.
2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass der Zugang zu einem Aquapark, der den Besuchern nicht nur Einrichtungen anbietet, die die Ausübung sportlicher Betätigungen ermöglichen, sondern auch andere Arten der Unterhaltung oder Erholung, eine in engem Zusammenhang mit Sport stehende Dienstleistung darstellen kann. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu ermitteln, ob dies im Licht der vom Gerichtshof im vorliegenden Urteil gegebenen Auslegungshinweise und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Ausgangsrechtsstreits in dieser Rechtssache der Fall ist.
Normenkette
§ 4 Nr. 22b UStG, Art. 132 Abs. 1m RL 2006/112 EG
Sachverhalt
Die Stadt Z stellte gegen Eintrittsgebühr einen städtischen "Aquapark" zur Verfügung. (Schwimmbecken war in Schwimmbahnen eingeteilt und mitSprungbrettern versehen; u.a. waren Kinderplanschbecken, Wasserrutschen, ein Massagebad, Naturschwimmbad, Beachvolleyball-Feld, Tischtennisplatten und diverse Sportgeräte vorhanden.) Nutzer waren weder Schulen noch Sportvereine oder ähnliche Einrichtungen. Streitig war die Umsatzsteuerbefreiung hinsichtlich der Leistungen an die Besucher.
Entscheidung
1. Das vorlegende Gericht hatte auch Zweifel, ob wegen des Leistungsspektrums, zu deren Nutzung eine Eintrittsgebühr berechtigt (s.o.), noch eine in engem Zusammenhang mit Sport stehende Dienstleistung vorliegt. Insoweit gelten die Grundsätze für die Beurteilung von Leistungsbündeln; es ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob mehrere getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung vorliegt. Bei einer einheitlichen Leistung sind die charakteristischen Bestandteile zu ermitteln und dann daraus – aus der Sicht eines Durchschnittsverbauchers – die dominierenden Bestandteile zu bestimmen. Zuständig sind insoweit die nationalen Gerichte.
2. Zu berücksichtigen sei, ob sich die Schwimmbecken für die Ausübung sportlichen Schwimmens eignen (z.B. Unterteilung in Schwimmbahnen, Vorhandensein mit Startblöcken, eine angemessene Tiefe und Ausmaße). Unerheblich sei insoweit, dass sich die Absicht einer Vielzahl von Besuchern nicht auf den derart bestimmten dominierenden Bestandteil der Leistung bezieht. Denn um die mit der Anwendung der Mehrwertsteuer verbundenen Maßnahmen zu erleichtern, sei – von Ausnahmefällen abgesehen – auf die objektive Natur des betreffenden Umsatzes abzustellen. Der Zugang zu einem "Aquapark", der den Besuchern neben Sportanlagen auch andere Arten der Unterhaltung oder Erholung anbietet, kann eine in engem Zusammenhang mit Sport stehende Dienstleistung darstellen.
Hinweis
Die EuGH-Entscheidung ist für Städte und Gemeinden von größerer Bedeutung.
1. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL sind "bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben", von der Umsatzsteuer befreit. Das UStG beharrt auf dem bestehenden Text, der aus der Zeit vor Erlass der Richtlinie stammt. Daher lohnt sich – vor allem nach dieser Entscheidung – der Vergleich zur Richtlinie. Solange das nationale Recht nicht geändert ist, hat der Unternehmer die Möglichkeit, die engere nationale Regelung zu beanspruchen (und dann ggf. den Vorsteuerabzug zu erhalten) oder sich auf die Richtlinie mit ihrem weiteren Regelungsbereich und die Befreiung der Umsätze zu berufen.
2. Mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL sollen – so der EuGH – bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten gefördert werden, d.h. in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbracht werden, die den Sport oder die Körperertüchtigung ausüben. Mit der Regelung soll eine solche Betätigung für breite Schichten der Bevölkerung gefördert werden. Unerheblich ist daher, ob es sich um organisierten Sport handelt.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 21.2.2013 – C-18/12Město Žamberk