Leitsatz
Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen nicht nur die Kosten des reinen Abschleppens, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstehen.
Nicht erstattungsfähig sind dagegen die Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind, wie etwa die Kosten der Parkraumüberwachung.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Das unbefugte Abstellen eines Pkw auf einem Privatgrundstück ist als verbotene Eigenmacht zu bewerten, die den Grundstückseigentümer zur Selbsthilfe berechtigt. Die durch die Selbsthilfe entstandenen Kosten kann der Eigentümer gem. §§ 823 Abs. 2, 249Abs. 1 BGB ersetzt verlangen.
(zusätzlicher Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 249 Abs. 1, 823 Abs. 2, 858 Abs. 1, 859
Kommentar
An der Einfahrt zum Parkplatz eines Supermarkts befanden sich Schilder, nach denen das Parken ausschließlich den Kunden vorbehalten war. Obwohl sie nicht zu diesem Personenkreis gehörte, stellte die Halterin eines Pkw ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz ab. Der Betreiber des Supermarkts beauftragte ein Abschleppunternehmen mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür berechnete das Abschleppunternehmen einen Betrag von ca. 220 EUR, den es aufgrund abgetretenen Rechts von der Fahrzeughalterin ersetzt verlangt. Diese verweigert die Zahlung. Aus diesem Grund gibt das Abschleppunternehmen den Standort des Fahrzeugs nicht bekannt. Die Fahrzeughalterin verlangt Schadensersatz in Form einer Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 3.700 EUR. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Revision ist erfolglos. Der BGH entscheidet nach folgenden Grundsätzen:
1. Selbsthilfe aufgrund verbotener Eigenmacht
Das unbefugte Abstellen eines Pkw auf einem Privatgrundstück ist als verbotene Eigenmacht zu bewerten, die den Grundstückseigentümer zur Selbsthilfe berechtigt. Der Grundstückseigentümer ist befugt, den Pkw von seinem Grundstück zu entfernen. Zu diesem Zweck kann der Eigentümer ein Abschleppunternehmen mit der Entfernung des Pkw beauftragen. Die durch die Selbsthilfe entstandenen Kosten kann der Eigentümer gem. §§ 823 Abs. 2, 249Abs. 1 BGB ersetzt verlangen.
2. Erstattungsfähige Kosten
Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören alle Aufwendungen, die mit dem unberechtigten Parken in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Hierzu zählen
- die Kosten der Identifizierung des Fahrzeugs und des Halters,
- die Kosten der Beauftragung des Abschleppunternehmens sowie
- die Kosten des Abschleppens.
3. Nicht erstattungsfähige Kosten
Nicht erstattungsfähig sind solche Kosten, die unabhängig von dem unberechtigten Parken entstehen. Hierzu zählen insbesondere die Kosten der Überwachung des Grundstücks, wie regelmäßige Kontrollgänge und dergleichen.
4. Zurückbehaltungsrecht des Grundstückseigentümers
Hat der Grundstückseigentümer den Pkw in Verwahrung, kann er die Herausgabe des Fahrzeugs von der Bezahlung der erstattungsfähigen Kosten abhängig machen. Insoweit steht dem Grundstückseigentümer ein Zurückbehaltungsrecht zu.
5. Fälliger Anspruch
Das Zurückbehaltungsrecht setzt lediglich voraus, dass der Grundstückseigentümer einen fälligen Gegenanspruch hat. Auf die Höhe dieses Anspruchs kommt es nicht an. Deshalb besteht das Zurückbehaltungsrecht auch dann, wenn der Grundstückseigentümer einen höheren Ersatzbetrag geltend macht, als ihm zusteht.
6. Keine Nutzungsentschädigung
Hieraus folgt, dass der Grundstückseigentümer bzw. das Abschleppunternehmen aufgrund des Zurückbehaltungsrechts nicht verpflichtet war, den Standort des Pkw bekannt zu geben. Ein Anspruch der Halterin des Pkw auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung besteht nicht.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 2.12.2011, V ZR 30/11, NJW 2012 S. 528