Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Ungültige Eigentümerbeschlüsse bei unberechtigtem Ausschluss eines Eigentümers von der Teilnahme an einer Eigentümerversammlung
- Ausnahme von diesem Grundsatz: Es steht fest, dass auch bei einer Teilnahme eines ausgeschlossenen Eigentümers ebenso Beschluss gefasst worden wäre (Kausalitätsprüfung)
- Versammlungsprotokoll als bloße Privaturkunde ohne erhöhte Beweiskraft für ihren Inhalt
- Richtige Aufteilung des Verwalterhonorars
Normenkette
(§§ 23 Abs. 1, 24 Abs. 6 WEG)
Kommentar
1. Werden Eigentümer zu Unrecht von der Teilnahme an einer Eigentümerversammlung ausgeschlossen, führt dies grundsätzlich zur Ungültigkeit der in dieser Versammlung gefassten Beschlüsse, sofern nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass diese auch bei einer Teilnahme ausgeschlossener Eigentümer ebenso gefasst worden wären. Jeder Eigentümer hat das Recht zur Teilnahme an einer Versammlung, selbst wenn er im Einzelfall vom Stimmrecht ausgeschlossen sein sollte (h.R.M.). Die Teilnahme dient hier nicht allein der Stimmabgabe, sondern vor allem auch der Aussprache und Diskussion. Wurden Eigentümer zu Unrecht von einer Versammlung ausgeschlossen, leiden spätere Beschlüsse grundsätzlich an einem Mangel, der auf Anfechtung hin zur Beschlussungültigkeit führt. Nur ausnahmsweise scheidet eine solche Ungültigerklärung aus, wenn eindeutig feststeht, dass selbst bei Anwesenheit der nicht geladenen Eigentümer die Beschlüsse ebenso gefasst worden wären (BayObLG, NJW-RR 1990, 784/785; WE 1998, 157; WE 1999, 27/28). Ob die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme vorliegen, ist im Wesentlichen vom Tatrichter zu entscheiden.
Da hier noch Aufklärungsbedarf besteht, musste die Sache an das LG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
2. Eine nach § 24 Abs. 6 WEG angefertigte Niederschrift über die Eigentümerversammlung ist i.Ü. eine Privaturkunde im Sinne von § 416 ZPO, der für die Richtigkeit ihres Inhalts keine gesetzliche Beweiskraft zukommt (BayObLG, NJW-RR 1990, 210); abgesehen davon gilt § 416 ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht (BayObLGZ 2002 Nr. 14).
3. Zur Anfechtung des Beschlusses über die Jahresabrechnung wird das LG auch dem neuen Sachvortrag der Antragstellerseite nachzugehen haben, dass die Verwalterkosten entgegen getroffener Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung nicht nach Miteigentumsanteilen, sondern nach der Zahl der Wohnungen und Garagen umgelegt wurden. Das LG kann im Gegensatz zum Rechtsbeschwerdegericht diesen neuen Sachvortrag berücksichtigen. Ein Beschluss der Eigentümer, dass der Verwalter ein bestimmtes Honorar pro Einheit erhalten soll, betrifft nur das Vertragsverhältnis der Wohnungseigentümer zum Verwalter, nicht aber das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander; in einem solchen Fall sind dann nur die Einzelabrechnungen in diesem einen Abrechnungsposten für ungültig zu erklären, nicht jedoch die Jahresgesamtabrechnung.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 10.04.2002, 2Z BR 97/01( BayObLG v. 10.4.2002, 2Z BR 97/01)