Dr. Ádám Tóth, Dr. Tibor Szocs
Rz. 225
In einigen Fällen ist die Einleitung eines Nachlassverfahrens obligatorisch. Das Gesetz bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass es die Fälle bestimmt, in denen die zuständige Behörde (Gemeindeverwaltung) ein Nachlassverzeichnis (siehe Rdn 237 ff.) von Amts wegen aufnehmen muss. Die Gründe für die obligatorische Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses sind folgende:
a) Sachbezogene Gründe
Rz. 226
Ein Nachlassverzeichnis ist stets aufzunehmen (d.h. das Nachlassverfahren ist von Amts wegen einzuleiten), wenn
1. |
sich im Nachlass eine Immobilie im Inland befindet; |
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sich im Nachlass Gesellschafter-(Aktien-)Beteiligungen an einer im inländischen Handelsregister eingetragenen Handelsgesellschaft bzw. Genossenschaft befinden; |
3. |
sich im Nachlass ein registrierter Vermögensgegenstand befindet; |
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sich im Nachlass bewegliches Vermögen befindet, dessen Wert den gesetzlich vorgesehenen erbschaftsgebührenfreien Wert übersteigt, oder |
5. |
aufgrund der dem Gemeindedirektor oder dem Notar zur Verfügung stehenden Daten wahrscheinlich ist, dass der Nachlass überschuldet ist (passiver Nachlass); |
6. |
der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen die Errichtung einer Stiftung angeordnet hat; |
7. |
um die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses von einem Erben als Betroffenen gebeten wird. |
Rz. 227
Daraus ergibt sich, dass bewegliche Sachen i.d.R. nur dann in das Nachlassverzeichnis aufgenommen werden, sofern deren Wert die erbschaftsgebührenfreie Wertgrenze erreicht (es sei denn, es liegt ein personenbezogener Grund für die obligatorische Aufnahme des Nachlassverzeichnisses vor). Die Inbesitznahme nicht registrierter unbeweglicher Vermögensgegenstände durch die Erben außerhalb eines Nachlassverfahrens ist tägliche Praxis und da es keine Sanktionen gibt, erleidet der Staat einen erheblichen Gebührenverlust.
Rz. 228
In der Praxis können die Erben aber mangels notarieller Nachlassübergabe nicht über jene Vermögensgegenstände verfügen, die in einem Register unter dem Namen des Erblassers geführt sind. Folglich werden die Bankkonten (und sonstige Bankguthaben), Wertpapiere, Pkw, geschützte Gemälde und andere Kunstgegenstände in der Praxis stets in das Nachlassverzeichnis aufgenommen.
b) Personenbezogene Gründe
Rz. 229
Ein Nachlassverzeichnis muss außerden auch dann aufgenommen werden,
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wenn der als Erbe Betroffene in der Wahrnehmung seiner Erbinteressen aus dem Grunde gefährdet ist, weil er
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eine Leibesfrucht ist, |
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minderjährig ist, |
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ein unter Pflegschaft betreffend die Geschäftsfähigkeit stehender Volljähriger ist, |
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eine Person mit unbekanntem Aufenthalt ist, |
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eine an der Führung ihrer Geschäfte verhinderte natürliche Person ist oder |
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wenn kein anderer Erbe als der ungarische Staat (Fiskus) vorhanden ist. |
Rz. 230
Anzumerken ist, dass Wertgutachten in der ungarischen Praxis – infolge falscher Auslegung – meist nicht den realen Wert wiedergeben. Die Werte werden mindestens um ein Drittel unter dem realen Wert angegeben. Es gibt aber auch Fälle, insbesondere bei Kunstgegenständen, wo der Schätzwert mangels Fachkenntnis nur ein Zehntel des realen Wertes beträgt. Diese Handhabung führt zwar zu einer Ersparnis bei der Erbschaftsgebühr, verschlechtert allerdings die Position des Erben bei Vereinbarungen mit Nachlassgläubigern bzw. beim Vergleich unter den Miterben bzw. bei einem späteren Verkauf, bei dem sich die Steuer nach der Differenz des Erwerbswertes und des Verkaufswertes richtet.