Dr. Tibor Szocs, Dr. Zsuzsanna Kosa
Rz. 164
Bei Regelung der elterlichen Sorge hat eine Vereinbarung der Eltern Vorrang. Die Vereinbarung ist formfrei: Sie kann sowohl schriftlich als auch mündlich, oder sogar durch konkludentes Verhalten geschlossen werden. Die Eltern können sich darüber in einem Prozessvergleich, aber auch in einem außergerichtlichen Vertrag einigen. In Ermangelung eines Formzwangs kann man sich auf eine außergerichtliche Vereinbarung nur berufen, wenn sie tatsächlich auf einer ausdrücklichen Erklärung beruht (in Schriftform), oder sich von den Umständen eindeutig ableiten lässt, dass die Parteien darüber übereingekommen sind. Die Gestaltung des Inhalts dieser Vereinbarung obliegt den Eltern – im Sinne der Privatautonomie – in gemeinsamer Verantwortung: Sie haben die Fragen zum Wohl des Kindes, unter Berücksichtigung seiner Meinung zu regeln.
a) Gemeinsame elterliche Sorge
Rz. 165
Die Eltern können auch vereinbaren, dass sie trotz des Getrenntlebens die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge unverändert aufrechterhalten, und dass ihnen weiterhin gleiche Rechte und Pflichten zustehen. Zur gemeinsamen elterlichen Sorge bedarf es eines allumfassenden Konsenses zwischen den Eltern; es genügt, die gemeinsame Ausübung zu deklarieren und den Wohnort des Kindes zu bestimmen. Der Wohnort des Kindes muss mit demjenigen eines Elternteils identisch sein, denn damit ist die Zuständigkeit des Kinderarztes und der Kreisschule sowie der Kinderschutzbehörde verknüpft. Wegen der gleichen Rechte und Pflichten beider Elternteile ist die Regelung des Umgangsrechts und des Kindesunterhalts in diesem Fall unnötig (der Unterhalt wird in diesem Fall i.d.R. in Form eines Naturalunterhalts geleistet). Es steht jedoch dem nichts entgegen, dass sich der Elternteil mit besseren Vermögensverhältnissen zur Zahlung eines zusätzlichen Unterhalts verpflichtet.
Rz. 166
Ein Sonderfall der gemeinsamen elterlichen Sorge ist die abwechselnde Betreuung, wenn das Kind die gleiche Zeit im Haushalt jedes Elternteils verbringt. Voraussetzung der tatsächlichen abwechselnden Betreuung ist, dass das Kind im gleichen Kindergarten, in der gleichen Schule bleibt. Eine solche Regelung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt somit voraus, dass die getrenntlebenden Eltern in der gleichen Ortschaft oder nicht weit voneinander entfernt leben.
Rz. 167
Vereinbaren die Eltern die gemeinsame elterliche Sorge in einem streitigen Verfahren, ist ihre gleichlautende Erklärung in einem Vergleich abzufassen. Das Gericht genehmigt den Vergleich, wenn die Eltern in jeder Frage übereingekommen sind, und alles dem Kindeswohl dient, wenn sich aber die Eltern über gewisse Fragen (z.B. Wohnort des Kindes, zusätzlicher Unterhalt) streiten, hat es die Genehmigung zu verweigern.
b) Alleinige elterlichen Sorge
Rz. 168
Die Eltern können auch vereinbaren, dass die elterliche Sorge einer von ihnen allein ausübt. Wird das Kind seit einer längeren Zeit tatsächlich von einem der Elternteile erzogen, ist anzunehmen, dass die Eltern durch konkludentes Verhalten die alleinige elterliche Sorge vereinbart haben. Die alleinige Ausübung bedeutet nicht, dass alle Berechtigungen aus dem Sorgerecht ausschließlich von einem der Ehegatten wahrgenommen werden. In wichtigen Fragen, die das Schicksal des Kindes betreffen – Namensbestimmung oder -änderung, dauerhafter Auslandsaufenthalt oder Niederlassung des Kindes im Ausland, Bestimmung der Schule und der Laufbahn des Kindes –, hat der andere Elternteil Mitentscheidungsrecht. Der vertragliche Verzicht auf die elterliche Sorge oder eine vertragliche Erklärung über ihre Einschränkung ist nichtig. Eine derartige Bestimmung kann ausschließlich ein Gericht oder eine andere Behörde in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen erlassen.