Rz. 211
Das Recht der Zweigniederlassungen ist im Gesetz Nr. 1997/CXXXII "Über die Zweigniederlassungen und Repräsentanzen von Unternehmen mit ausländischem Sitz in Ungarn" (Ftv.) geregelt. Das ungarische Recht unterscheidet zwischen der Zweigniederlassung und der Handelsrepräsentanz ausländischer Unternehmen. Während es sich bei Letzterer um einen unselbstständigen Bestandteil der Hauptgesellschaft mit sehr eingeschränktem Tätigkeitsfeld handelt, wird der Zweigniederlassung in der Praxis Rechtsfähigkeit zuerkannt.
Rz. 212
Die Rechtsfähigkeit – bei fehlender Rechtspersönlichkeit, § 2 Buchst. b) Ftv. – von Zweigniederlassungen kann bereits aus § 10 Abs. 2 Ftv. hergeleitet werden. Dort ist die Rede davon, dass das ausländische Unternehmen über die unter dem Firmennamen der Zweigniederlassung erworbenen Vermögenswerte und Rechte bzw. übernommenen Verpflichtungen im eigenen Firmennamen grundsätzlich nur bei Auflösung der Zweigniederlassung verfügen kann.
Rz. 213
Weiterhin hat der Oberste Gerichtshof Zweigniederlassungen in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 Rechtsfähigkeit zugebilligt, indem er entschieden hat, dass ungarische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen zur selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit berechtigt sind. Hiervon ausgenommen sind die Gründung einer Wirtschaftsgesellschaft und das Halten von Anteilen an einer solchen als Eigentümer.
Rz. 214
Die Zweigniederlassung kommt gem. § 4 Abs. 1 Ftv. mit der Eintragung zustande. Die Erfordernisse des Antrags und das Antragsverfahren richten sich gem. § 6 Abs. 1 Ftv. nach den Bestimmungen des Ctv. Zur Anmeldung verpflichtet sind die zur Prokura für die Zweigniederlassung berechtigten Personen. Die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit ist bereits ab Antragstellung auf Eintragung möglich, wobei der Zusatz "in Gründung" geführt werden muss. Es handelt sich dann um eine sog. Vor-Zweigniederlassung.
Rz. 215
Aus der eigenen Rechts- und daraus folgend auch Prozessfähigkeit der Zweigniederlassung ergibt sich insbesondere, dass diese evtl. einen Prozess gegen ihre ausländische Hauptgesellschaft führen kann oder im Grundbuch als Eigentümer eintragungsfähig ist. Im Grundbuch kann die Zweigniederlassung jedoch auch als Repräsentant der ausländischen Gesellschaft eingetragen werden, wodurch die Verfügungsbefugnis der Zweigniederlassung ausgeschlossen wird.
Rz. 216
Die ausländische Hauptniederlassung hat gem. § 11 Abs. 1 Ftv. stets für die Sicherung des zum Betrieb der Zweigniederlassung und zur Begleichung deren Schulden erforderlichen Vermögens zu sorgen. Für die Verbindlichkeiten der Zweigniederlassung haften Haupt- und Zweigniederlassung gesamtschuldnerisch und unbeschränkt.