1. Zweck und rechtliche Voraussetzungen der Adoption

 

Rz. 226

Gemäß § 4:119 Ptk. ist der Zweck des Rechtsinstituts der Adoption die "Erziehung des Kindes in einer Familie“ zu ermöglichen. Im Sinne dieser Zielsetzung stellt die Adoption mit rechtlichen Mitteln Verwandtschaftsbeziehungen zwischen dem adoptierten Kind und dem Annehmenden sowie seinen Verwandten her. Das ungarische Recht ermöglicht die Adoption nur von Minderjährigen.[179]"

 

Rz. 227

Allgemeine Voraussetzungen der Adoption[180] sind, dass der Annehmende sein fünfundzwanzigstes Lebensjahr vollendet haben muss, der Altersunterschied zwischen ihm und dem adoptierten Kind mindestens sechzehn und höchstens fünfundvierzig Jahre beträgt,[181] außerdem muss er angesichts seiner Persönlichkeit für die Adoption eines Kindes tauglich sein. Ausgeschlossen ist die Adoption durch eine Person, gegen die ein Gerichtsurteil über Entziehung der elterlichen Sorge[182] oder über Verbot der Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten[183] rechtskräftig ausgesprochen wurde, sowie deren Kind kraft Beschlusses der Vormundschaftsbehörde in Pflege genommen wurde ist.[184]

 

Rz. 228

Voraussetzung der Genehmigung der Adoption ist ein diesbezüglicher einstimmiger Antrag des Annehmenden und des gesetzlichen Vertreters des Kindes. Eine weitere Voraussetzung der Genehmigung ist das Vorliegen der Zustimmung folgender Personen:

leibliche Eltern des Kindes[185] (selbst dann, wenn sie keine gesetzlichen Vertreter des Kindes sind);
Ehegatte des Annehmenden sowie
das zu adoptierende Kind.

Auch wenn alle oben dargestellten Voraussetzungen restlos erfüllt sind, kann die Adoption nur genehmigt werden, wenn sie dem Wohl des Kindes dient.

 

Rz. 229

Das ungarische Recht kennt zwei Grundformen der Adoption: die offene und die geheime Adoption. Offen ist die Adoption, wenn die leiblichen Eltern ihre Zustimmung zur Adoption durch einen bestimmten, für sie bekannten Annehmenden erteilen. Bei einer geheimen Adoption dagegen erteilen die leiblichen Eltern ihre Zustimmung zur Adoption durch eine für sie unbekannte Person. Ebenfalls geheim ist die Adoption in Fällen, wenn die Zustimmung der leiblichen Eltern kraft Gesetzes nicht notwendig ist.

[179] § 4:119 Abs. (2) Ptk.
[180] § 4:121 Ptk.
[181] Bei Verwandtenadoption sowie Adoption durch den Ehegatten kann vom Altersunterschied abgesehen werden.
[182] Die gerichtliche Entziehung des Sorgerechts ist eine im § 4:191 Ptk. vorgesehene zivilgerichtliche Maßnahme, die aus den im Gesetz bestimmten schwerwiegenden Gründen (z.B. schwere Gefährdung des Kindes; Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Kind, usw.) angeordnet werden kann.
[183] Das "Verbot der Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten" (ungarisch: "közügyektől való eltiltás") ist im ungarischen Strafrecht eine Nebenstrafe, deren Rechtsfolgen in § 61 des ung. StGB (Gesetz Nr. C vom Jahre 2012) bestimmt sind. Ihre Rechtswirkungen sind vergleichbar mit den in § 45 des deutschen StGB erwähnten Nebenfolgen.
[184] Die Inpflegenahme des Kindes (ungarisch: "nevelésbe vétel") ist eine Kinderschutzmaßnahme, deren gesetzliche Voraussetzungen in §§ 77–78 des Kindeschutzgesetzes (Gesetz Nr. XXXI vom Jahre 1997) geregelt sind.
[185] Der Zustimmung der leiblichen Eltern bedarf die Adoption in gewissen, in § 4:127 Ptk. genannten Fällen nicht (so z.B. wenn das elterliche Sorgerecht des leiblichen Elternteils gerichtlich entzogen wurde, wenn der Elternteil – nicht wegen Minderjährigkeit – geschäftsunfähig ist usw.).

2. Genehmigungsverfahren

 

Rz. 230

In Ungarn ist für Verfahren in Adoptionssachen die Vormundschaftsbehörde sachlich zuständig. Dieses Organ geht nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrens vor. Die besonderen Verfahrensregeln bezüglich der Adoption sind im Gyer. enthalten.[186]

 

Rz. 231

Dem Genehmigungsverfahren ist ein Vorverfahren vorgeschaltet. Es wird geprüft, ob der Annehmende angesichts seiner Persönlichkeit und Lebensumstände tauglich ist,[187] ein Kind zu adoptieren. Im Laufe dieses Verfahrens hat der Annehmende an einer Beratung und an einem Vorbereitungskurs teilzunehmen. Die Vormundschaftsbehörde entscheidet in der Frage der Adoptionstauglichkeit unter Berücksichtigung aller Umstände, so insbesondere des eingeholten Gutachtens über die Lebensverhältnisse des Annehmenden, der Anhörung des Annehmenden, der gesundheitlichen Tauglichkeit, des Ergebnisses einer psychologischen Untersuchung usw.

 

Rz. 232

Das Genehmigungsverfahren selbst wird durch den vom Annehmenden und vom gesetzlichen Vertreter des Kindes persönlich gestellten einstimmigen Antrag eingeleitet. Im Zuge des Verfahrens hat die Vormundschaftsbehörde alle Betroffenen – den Annehmenden, das anzunehmende Kind (falls es schon eingeschränkt geschäftsfähig ist oder zwar noch geschäftsunfähig, aber bereits urteilsfähig ist) sowie die leiblichen Eltern des Kindes anzuhören.

 

Rz. 233

Die Rechtswirkungen der Adoption treten mit der Rechtskraft des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde über die Genehmigung ein. Stirbt der Annehmende während des Verfahrens, treten die Rechtswirkungen mit seinem Tod ein.[188]

 

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