Leitsatz
- Wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben kann die positive Stimmabgabe eines Wohnungseigentümers ungültig sein, insbesondere, wenn sich hierin ein widersprüchliches Verhalten gegenüber einem anderen Wohnungseigentümer zeigt. Bei Anfechtung des Eigentümerbeschlusses führt dieses Verhalten aber nur dann zur Ungültigerklärung des Beschlusses, wenn ohne diese Stimme ein Mehrheit nicht erreicht ist.
- Soweit die Wohnungseigentümer einen anderen Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit dazu auffordern, eine bestimmte Nutzung von Räumen zu unterlassen, so ist der betreffende Wohnungseigentümer nicht gemäß § 25 Abs. 5 WEG von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn sich die Wohnungseigentümer bei Mißachtung ihrer Aufforderung gerichtliche Schritte vorbehalten.
Sachverhalt
Die Wohnungseigentumsanlage besteht seit ihrer Teilung aus drei Wohneinheiten. Im notariellen Kaufvertrag wurde einem der Wohnungseigentümer das Recht zum Ausbau der Kellerräume zu Wohnzwecken eingeräumt und gleichzeitig bevollmächtigt, gegen der Baubehörde alle für die Umbaumaßnahme erforderlichen Erklärung abzugeben und entgegenzunehmen. Die Kellerräume wurden daraufhin ausgebaut und dienten seit ihrer Fertigstellung Wohnzwecken. Zwischenzeitlich war in einer anderen Einheit ein Eigentümerwechsel erfolgt. Drei Jahre später faßten die Wohnungseigentümer mehrheitlich einen Beschluß, wonach die in Rede stehende Nutzung der Kellerräume nicht mehr länger hingenommen werde und diese zu räumen seien. Sollte dem Beschlußinhalt nicht Folge geleistet werden, wollten sich die übrigen Wohnungseigentümer rechtliche Schritte vorbehalten. Betreffender Wohnungseigentümer ficht nun diesen Beschluß an.
Entscheidung
Mit Erfolg! Der Eigentümerbeschluß war ungültig, da die für eine Beschlußfassung erforderliche Mehrheit der Stimmen nicht erreicht wurde. Die Stimme des anderen ursprünglichen Mitglieds der Wohnungseigentumsanlage durfte hier nämlich nicht berücksichtigt werden, da dessen Stimmverhalten rechtsmißbräuchlich war und gegen Treu und Glauben verstoßen hatte.
In diesem Zusammenhang muß man sich vor Augen halten, daß dieser Wohnungseigentümer im damaligen Kaufvertrag dem Ausbau des Kellers zu Wohnzwecken zugestimmt hatte und somit einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Es stellt sich daher als widersprüchliches Verhalten, wenn dieser Wohnungseigentümer sich nunmehr gegen eine derartige Nutzung ausspricht. Nicht zu vergessen ist dabei auch, daß der Keller mittlerweile ausgebaut war.
Zu klären war nun aber noch, ob nicht auch der Wohnungseigentümer, der den Keller ausgebaut hatte, vom Stimmrecht ausgeschlossen war. Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer nämlich dann nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlußfassung die Einleitung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft. Diese Voraussetzung war hier aber gar nicht erfüllt. Die Wohnungseigentümer beschlossen nicht über die Einleitung eines Rechtsstreits, sondern behielten sich nur rechtliche Schritte gegen den Wohnungseigentümer vor. In einem derartigen Fall aber ist der betreffende Wohnungseigentümer vom Stimmrecht nicht ausgeschlossen.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 25.03.1998, 2Z BR 152/97
Fazit:
Mit der Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses wegen der fehlenden Stimmenmehrheit ist natürlich noch nicht darüber entschieden, ob die Kellerräume zu Recht als Wohnräume genutzt werden oder nicht. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, daß den Anspruch auf Unterlassung einer vereinbarungswidrigen Nutzung nach §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 Abs. 1 BGB jeder einzelne Eigentümer geltend machen kann. Ganz wichtig: Hierzu bedarf es keines entsprechenden Eigentümerbeschlusses oder einer Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer.