Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 313 BGB, § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG
Kommentar
In allen formelhaften Kaufverträgen war vereinbart, dass sich der Verkäufer das Recht vorbehalte, "die Teilungserklärung samt Gemeinschaftsordnung durch Nachträge zu ändern, wenn dadurch das verkaufte Sondereigentum als solches nicht berührt und die Benützung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht wesentlich eingeschränkt werde". Darüber hinaus behalte sich der Verkäufer das Recht vor, "Sondernutzungsrechte auszuweisen und dies durch Nachtrag zur Teilungserklärung zu erklären, z. B. für Stellplätze, Kellerabteile, Speicherabteile o. ä., sowie diese Sondernutzungsrechte auf eigene Rechnung wirtschaftlich zu verwerten". Gleichzeitig wurde Käufervollmacht an den Verkäufer erteilt "zu dessen Vertretung bei allen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, die im Umfang des vorgenannten Vorbehaltes erforderlich oder zweckmäßig seien, wozu gegenüber dem Grundbuchamt jeweils als Nachweis die Angabe des Bevollmächtigten genüge . . ."
Das Gericht stellte fest, dass diese formelhaften Kaufvertragspassagen wegen Verstoßes gegen § 9 AGBGunwirksam seien (es ging um die nachträgliche Ausweisung von Sondernutzungsrechten an Kfz-Stellplätzen). Eine Individualvereinbarung läge im vorliegenden Fall nicht vor; eine Belehrung über die Bedeutung und Tragweite einer solchen vorformulierten Klausel genüge nicht für die Annahme einer Individualvereinbarung. Käufer seien durch diese Regelungen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt ( § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Das WEG basiere auf dem Gedanken, dass Miteigentümer einer Wohnanlage ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich regelten, so z. B. auch die Ausweisung von Kfz-Stellplätzen ( § 10 WEG). Im vorliegenden Fall würden die Bestimmungen des WEG durch eine solche weitgehende Vollmacht unterlaufen, wenn sich ein Verkäufer unbefristet und unwiderruflich Einflussmöglichkeiten auf die Rechtsbeziehungen innerhalb der Gemeinschaft vorbehalte (Stellplatzausweisung noch nach vielen Jahren und wirtschaftliche Verwertung auf eigene Rechnung). Ins Gewicht falle für Käufer vor allem der nicht überschaubare Zeitfaktor.
Link zur Entscheidung
( LG München I, Urteil vom 23.12.1988, 29 O 6500/88, noch nicht rechtskräftig)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Eine insbesondere für Notare beachtenswerte und m. E. zutreffende Entscheidung. Schwieriger wäre sicher die Rechtslage bei entsprechender, dinglich wirksamer Vereinbarung in einer Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung (mit Bindungswirkung für Sonderrechtsnachfolger), zumal nach h. R. M. auf solche Vereinbarungen nicht die Grundsätze des AGB-Gesetzes angewendet werden; hier könnten zu weitgehende Vollmachten ggf. nur am Grundsatz des § 242 BGB (Treu und Glauben) scheitern.
[Vgl. auch die einschränkende Folge-Rechtsprechung zu ähnlichen Vollmachtsklauseln in einer Teilungserklärung: Einseitig bauträgerseits Änderungsmöglichkeit nur bis zur Eintragung einer ersten Auflassungsvormerkung zugunsten eines ersten Ersterwerbers! Beachtung auch des grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes!]