Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Abs. 1 WEG, § 15 Abs. 2 WEG
Kommentar
Eine Gemeinschaft gestattete durch Mehrheitsbeschluss einer Blumengeschäftsinhaberin, eine gemeinschaftliche Fläche vor dem Geschäft von ca. 50 qm zum Zwecke des Aufstellens von Blumen und Pflanzen ausschließlich zu nutzen; gleichzeitig wurde in dem Beschluss ein entsprechender Mietvertrag mit gesetzlichen Kündigungsfristen abgeschlossen (gegen Mietzinszahlung von 2 DM pro Quadratmeter Nutzfläche).
Das BayObLG sieht in diesem Beschluss einen Verstoß gegen § 15 Abs. 2 WEG (kein ordnungsgemäßer Gebrauch, da ein Verstoß gegen § 14 Nr. 1 WEG vorliege; grundsätzliche Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die Tatsachenfeststellungen und vertretbaren Wertungen der Vorinstanzen). Unter einem Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sei nicht nur eine erhebliche, sondern jede nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung zu verstehen, wobei abzuwägen sei, ob der Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe.
Nicht entschieden wurde in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein ordnungsgemäßer Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG u.U. auch in einer Vermietung bestehen könne, wenn keiner der Wohnungseigentümer einen Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG erleiden sollte (verneinend wohl OLG Zweibrücken, MDR 1986, 60). Im vorliegenden Fall ging nämlich das Gericht bereits von einer Beeinträchtigung des anfechtenden Eigentümers der über dem Laden gelegenen Wohnung aus. Bestätigt wurden insbesondere die in der Ersten Instanz festgestellten und bewiesenen Geräuschbelästigungen ungeachtet der Einwendungen, dass bereits vom allgemeinen Straßenverkehr starke Geräuschbelästigungen ausgehen würden. Das Gericht bejahte auch den Unterlassungsantrag, auf der angemieteten Fläche gärtnerische Erzeugnisse aller Art zwecks Werbung und Verkauf abzustellen ( §15 Abs. 3 WEG sowie § 1004 Abs. 1 BGB).
Weiterhin wurde ausgeführt, dass die Antragstellerseite auch nicht deshalb zur Duldung verpflichtet sei, weil die Antragsgegnerin (Geschäftsinhaberin) die Fläche schon seit langer Zeit - in welchem Umfang sei streitig geblieben - für das Blumengeschäft benutze; die bloße Duldung schaffe hier keinen, jedenfalls keinen unwiderruflichen Rechtstitel.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 19.02.1987, BReg 2 Z 4/87)
Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Das Entscheidungsergebnis überzeugt deshalb nicht ganz, da der Senat nur mit sehr wenigen eigenen Worten den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts gefolgt ist. Es muss doch gefragt werden, ob die angeführten Beeinträchtigungen (nur nicht näher präzisierte Geräuschbelästigungen) als nicht ganz geringfügige Beeinträchtigungen angesehen werden durften (Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG). Vielleicht hätte die Entscheidung überzeugt, wenn ganz konkrete Störungen (tatrichterlich festgestellt) angesprochen worden wären (z. B. Insektenflug, störender Transport von Blumenkästen, Kundenverkaufsgespräche vor dem Geschäft).
Zulässigerweise in Teileigentumseinheiten betriebene Ladengeschäfte führen stets (innerhalb von Öffnungszeiten) zu gewissen Störungen und auch Lärmbelästigungen der Bewohner über solchen Geschäften gelegener Wohneinheiten. Bei Erwerb einer entsprechenden Eigentumswohnung sind jedoch diese Tatsachen erkennbar, insbesondere dann, wenn Wohnungen ohnehin straßenseitig gelegen sind und durch Verkehrslärm und anderen Kundenverkehr gewissen Beeinträchtigungen unterliegen.
M.E. hätte hier eine Duldungspflicht für das beschlussweise genehmigte Aufstellen von Blumenpflanzen vor dem Geschäft bejaht werden können, wenn dadurch keinerlei Vermehrung von ohnehin verkehrsüblichen Störungen vor einem solchen Geschäft erwartet werden konnte. Bei Verneinung einer Beeinträchtigung im Rahmen einer Interessenabwägung hätte dann das Gericht auch die weitere interessante und höchst umstrittene Frage entscheiden können, ob ein Beschluss über verzinsliche Vermietung von Teilen eines gemeinschaftlichen Grundstücks im Einzelfall ordnungsgemäßem Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG entsprechen könnte, was ich im vorliegenden Streit bejaht hätte (allerdings nur, sofern diese Fläche nicht anderweit notwendigerweise Mitgemeinschaftern unbedingt zum Mitgebrauch zur Verfügung hätte stehen müssen). Vgl. auch meine kritische Anmerkung zur Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 5. 6. 1986 in NJW RR 1986, 1338. Anders wäre sicher bei einer zinslosen Vermietung der Gemeinschaft hinsichtlich solcher gemeinschaftlicher Freiflächen vor Ladengeschäften zu entscheiden. Das Gericht hätte sich im vorliegenden Fall m.E. auch sehr viel eingehender mit der nur angedeuteten Frage einer Verwirkung von Nutzungsunterlassungsansprüchen aufgrund langfristiger Nutzung und Duldung beschäftigen müssen, will man nicht gänzlich in solchen und ähnlichen Fällen das Institut der Verwirkung negieren.